BDKJ über die Belastung Jugendlicher in der Pandemie

Kein Geld fürs Tablet?

Nicht nur psychisch leiden Kinder und Jugendliche unter der Corona-Pandemie. Schüler aus benachteiligten Familien können zum Teil nicht einmal an digitalem Unterricht teilnehmen. Die BDKJ-Vorsitzende Lisi Maier sieht Handlungsbedarf.

Tablets im Unterricht / © Monkey Business Images (shutterstock)
Tablets im Unterricht / © Monkey Business Images ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Kinder und Jugendliche sind, verstärkt durch Corona, besonders von Armut gefährdet. Woran liegt das?

Lisi Maier (Vorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend /BDKJ): Man muss sagen, dass in Deutschland seit vielen Jahren Jugendliche im Alter von 15 bis ca. 25-27 ohnehin schon die am stärksten von Armut betroffene Altersgruppe sind. In der öffentlichen Wahrnehmung taucht das oftmals nicht so stark auf. Corona hat dazu geführt, dass die ohnehin schon Benachteiligten in den letzten Monaten noch stärker benachteiligt wurden.

Das zeigt sich unter anderem in den Bereichen Wohnen und Digitalisierung, aber auch in der Ausbildung oder am Arbeitsmarkt. Junge Menschen sind auch diejenigen, die mehr befristete Beschäftigungsverhältnisse haben.

DOMRADIO.DE: Nicht zu unterschätzen ist ja auch die seelische Belastung, der Kinder und Jugendliche durch Corona ausgesetzt sind. Welche Belastungen sind das ganz konkret?

Maier: Wir haben festgestellt, dass gerade junge Menschen psychisch sehr stark unter Corona leiden. Für sie stellt die Situation eine sehr starke Belastung dar. Zum einen, weil etwa die Eltern den Arbeitsplatz verlieren oder in Kurzarbeit sind. Zum anderen aber auch, weil junge Menschen ihre Freunde nicht treffen können.

Es gibt Studien, beispielsweise die "Yuko-Studie" an der Uni Hildesheim, die dargestellt haben, dass viele Menschen im Jugendalter es zwar gewohnt sind, mit dem Handy Treffen mit den Freunden auszumachen, dass sie sich andererseits aber in den vergangenen Monaten oftmals sehr einsam und allein gefühlt haben - selbst im familiären Kontext. Gleichzeitig haben sie aber auch gemerkt, wie wichtig Institutionen für sie sind.

Auf der einen Seite die Schule - und damit ein geregelter Ablauf - und auf der anderen Seite Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe beziehungsweise der Kinder- und Jugendarbeit wie der Sportverein, der offene Jugendtreff, der Jugendverband. Das sind all die Dinge, die bis zum Sommer gar nicht oder größtenteils nicht stattfinden konnten. Leider gehen wir jetzt auf den Winter zu, in dem vielleicht auch wieder nicht so viel möglich sein wird.

DOMRADIO.DE: Alle sprechen von Homeoffice oder Digitalisierung, natürlich auch in den Schulen. Können ärmere Familien sich das überhaupt leisten?

Maier: Das ist auch ein Problem. Ein sehr großes Problem sogar. Wir haben im Jugendarmuts-Monitor auch festgestellt, dass 82,2 Prozent der 14-Jährigen aus bildungsfernen Familien und 86 Prozent derjenigen aus Familien im Arbeitslosengeld II-Bezug zwar Zugang zu einem Computer und Tablet haben, aber nicht unbedingt ein eigenes Gerät. Zum Vergleich: Insgesamt haben 95 Prozent aller Kinder und Jugendlichen Zugang zu einem Computer oder Tablet.

Wir sehen auch, dass nur 37,5 Prozent der 14-Jährigen aus Familien im Arbeitslosengeld II-Bezug selbst einen Computer oder ein Tablet besitzen und im Vergleich dazu 51 Prozent aller Kinder und Jugendlichen. Das ist ein Unterschied von 15 Prozent. Das heißt, die Kinder und Jugendlichen können gar nicht so am Homeschooling teilnehmen wie andere.

Im Jugendarmuts-Monitor ist das mit Zahlen belegt worden, was man die letzten Monate immer schon vermutet hatte, dass nämlich diejenigen, die finanziell abgehängt sind, auch jetzt in der Bildung noch stärker abgehängt wurden. Daher befürchten wir, dass eine sich verfestigende Spirale der Armut, wie wir sie in Deutschland jetzt schon haben, noch weniger aufgebrochen werden kann.

DOMRADIO.DE: Was muss denn jetzt passieren, damit die Schere zwischen Arm und Reich in Zukunft nicht noch weiter auseinanderdriftet?

Maier: In der aktuellen Krisensituation müssen wir dafür sorgen, dass die zusätzlich zur Verfügung gestellten 500 Millionen Euro für die Digitalisierung auch passgenau für benachteiligte Kinder und Jugendliche eingesetzt werden. Wenn wir uns anhand der Daten der Bundesagentur für Arbeit ansehen, wie das Geld über die Länder verteilt werden soll, ist es so, dass aufgrund der Menge an benachteiligten Kindern und Jugendlichen in den einzelnen Bundesländern Kinder oder Jugendliche in Bayern über 900 Euro für die Digitalisierung zur Verfügung hätten und in Bremen nur 250 Euro.

Da braucht es eine sehr passgenaue Struktur, wie das Geld ankommt. Es darf jetzt nicht einfach nur mit der Gießkanne verteilt werden. Darauf zu achten, wer die Unterstützung über diesen Digitalisierungsfond wirklich braucht, ist für die nächsten Monate sehr, sehr wichtig.

Ein weiterer, wichtiger Aspekt, den man nicht vergessen darf: Wir müssen schauen, dass wir ein Recht auf Ausbildung installieren, dass junge Menschen auch eine Sicherheit haben, in den Arbeitsmarkt zu kommen und dass wir eine Kinder- und Jugendgrundsicherung einführen.

Das Interview führte Carsten Döpp.


 

Bundesvorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ): Lisi Maier / © Elisabeth Schomaker (KNA)
Bundesvorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ): Lisi Maier / © Elisabeth Schomaker ( KNA )


 

Kinder weltweit leiden unter den Folgen der Corona-Pandemie / © mrmohock (shutterstock)
Kinder weltweit leiden unter den Folgen der Corona-Pandemie / © mrmohock ( shutterstock )
Quelle:
DR