DOMRADIO.DE: War das richtig, was man da in Ulm entschieden hat? Die Verantwortlichen dort hatten das ja von sich aus bekannt gegeben.
Carsten Schmalstieg (Kunsthistoriker und Historiker, tätig in der Kunstdenkmalpflege/Inventarisierung von kirchlichem Kunstgut, angestellt beim Erzdiözesanbaumeister/Erzbischöfliches Generalvikariat/Erzbistum Köln): Ich habe mir die Figur in Ulm einmal auf Bildern genauer angesehen, und ich muss einfach sagen: Das ist eine ganz schlecht geschnitzte Figur. Die ist einfach völlig misslungen, und schon von daher hätte sie auch gar nicht in so eine Krippe gelangen dürfen.
DOMRADIO.DE: Sie kennen sich aus mit Krippen in Kirchen. Sie geben selbst auch regelmäßig Krippenführungen. Gibt es denn aus Ihrer Sicht auch Krippen, in denen man gelungene Beispiele sieht für den dunkelhäutigen König?
Schmalstieg: Eigentlich, beim überwiegenden Teil der Krippen in den Kirchen ist die Darstellung gelungen, und ich würde sogar hinzufügen sehr respektvoll. Das wird zum Beispiel angedeutet durch die gleiche Figurenhöhe. Diese drei Könige stehen ja für drei Kontinente, waren früher, also vor dem 15. Jahrhundert, durchweg weiß, was ich eher problematisch finde, und dieses Integrieren sozusagen eines dunkelhäutigen Königs, das zeigt dann eben auch eine Ehrerbietung vor dem Kontinent Afrika, das die Menschen wirklich ihren Horizont erweitert haben und auch wahrgenommen haben, wie Menschen dort aussehen. Von der Kleidung her sind die drei Könige einheitlich prächtig gekleidet. Sie begegnen sich auf Augenhöhe.
DOMRADIO.DE: Und es zeigt gleichzeitig ja doch auch Diversität. Es geht darum, in einer Krippe auch zu zeigen Menschen aus der ganzen Welt kommen dort zum Jesuskind. Das ist ja eigentlich eine sehr schöne Botschaft, die dahinter steckt.
Schmalstieg: Ja, es gilt immer noch das Wort des Apostels Paulus, der im Kolosserbrief gesagt hat: "Es gibt nicht mehr Griechen oder Juden, Beschnittene oder Unbestrittene, Fremde, Skythen, Sklaven oder Freie. Sondern Christus ist alles und in allem." Die ganze Welt wird abgebildet.
DOMRADIO.DE: Unterlagen Krippen denn immer schon einem Wandel der Zeit?
Schmalstieg: Ja, das kann man deutlich sehen. Die Krippen im Anfang, das fängt ja alles an mit Franz von Assisi, diese Darstellung in der Höhle wahrscheinlich mit lebensgroßen Figuren. Dann wurde das kleiner, im Barock dann wieder etwas prächtiger, und dann kann man immer gewisse Renaissancen beobachten, wenn man das mal im Plural gebrauchen möchte. Dass Krippen zu gewissen Zeiten überhaupt nicht beliebt waren oder auch diffamiert wurden, etwa in der Zeit der sogenannten Aufklärung, wurden Sie als "Vehikel des Aberglaubens" bezeichnet. Und dann im 19. Jahrhundert fingen auch wieder ambitionierte Bildschnitzer an, wirklich auch künstlerisch hochrangige Krippen zu schaffen. Und dann gab es natürlich auch solche Ausreißer wie Angebote aus der Süßwarenindustrie, dass man Krippen in Weingummi hergestellt hat. Es gibt nichts, was es nicht gibt bei Krippen.
DOMRADIO.DE: Es gibt ja besonders in Köln auch diese sogenannten "Millieu-Krippen", die sich schon auch auf aktuelle Gesellschafts-Problematiken beziehen. Mit Krippen kann man eine Menge Gesellschaftskritik üben.
Schmalstieg: Ja, das ist etwas, was quasi noch in die 70er Jahre zurückreicht. Und es gab dann sehr engagierte Pastöre, die dann gesagt haben: Wir müssen auch das wahrnehmen, was um die Kirche herum passiert. Und ein klassisches Beispiel dafür ist St. Maria in Lyskirchen hier in Köln. Denn um diese Kirche herum war noch in den zwanziger, dreißiger Jahren ein Armuts-Gebiet, und das spiegelt diese Krippe auf eindrucksvolle Weise wieder.
Das Gespräch führte Verena Tröster.
Info: Dies ist ein Auszug des kompletten Interviews, zum Nachhören hier.