Ist Köln offiziell eine "heilige" Stadt?

Blick in die Kirchenhistorie

Das "heilige" Köln ist ein bekannter und in Köln beliebter Namenszusatz, ähnlich wie das "ewige" Rom. Doch was genau ist an Köln heilig? Und wie kam es zu der Bezeichnung? Der Kirchenhistoriker Heinz Finger hat das erforscht.

Ist Köln offiziell eine "heilige" Stadt? / © Guenter Albers (shutterstock)
Ist Köln offiziell eine "heilige" Stadt? / © Guenter Albers ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Wie kam Köln zu dem Titel "Heilige Stadt"?

Prof. Heinz Finger (Kirchenhistoriker und ehemaliger Direktor der Erzbischöflichen Diözesan- und Dombibliothek): Das erste Mal wird vom heiligen Köln Anfang des 9. Jahrhunderts gesprochen. Aber entscheidend ist, dass 700 Jahre lang - vom Anfang des 12. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts - das Siegel von Köln die Umschrift "Sancta Colonia dei Gracia Romane ecclesie fidelis filia" trägt. Heiliges Köln durch Gottes Gnade der römischen Kirche treue Tochter. Und das wird praktisch sozusagen in Erz gegossen.  

DOMRADIO.DE: Das heißt, das steht dann im Siegel. Aber hat Köln sich diesen Titel einfach selbst gegeben oder gibt es eine kirchenhistorische Berechtigung dafür?

Finger: Eine Verleihung gibt es nicht. Sodass wir, wenn das auch vielleicht etwas grob klingt, letztlich sagen müssen: Köln hat sich selbst zum heiligen Köln ernannt.

DOMRADIO.DE: Man fragt sich natürlich: Wie kann es sein, dass sich das über Jahrhunderte, Jahrtausende einfach so hält?

Finger: Das ist freilich die Besonderheit von Köln. Denn andere Städte haben sich auch heilig genannt, auch solche, die nicht weit von Köln entfernt waren. "Santa Treveris", heiliges Trier. Selten, aber immerhin ab und zu, hören wir auch vom heiligen Aachen.

Und am verblüffendsten ist wahrscheinlich, dass ein Bistum, das zur Kölner Kirchenprovinz gehörte, also in gewisser Weise Köln unterstellt war, wie Lüttich, auch vom heiligen Lüttich sprach. Das ist alles vergangen. Aber in Köln ist es nicht vergangen. In Köln hat man also bis heute - häufig wird ja ein Titel allerdings mehr ironisch gebraucht - an ihm festgehalten.

DOMRADIO.DE: Wenn auch diese anderen Städte das mal waren oder so genannt wurden, zum Beispiel heiliges Mainz oder heiliges Trier, warum ist das von Köln jetzt noch in aller Munde und bei den anderen nicht mehr? Wie kommt das?

Finger: Das bleibt letztlich ungeklärt. Die einfachste Deutung ist wahrscheinlich die, dass Köln keinen Niedergang erlebt hat. Das Erzbistum Mainz ist heute ein schlichtes Bistum, das Erzbistum Trier ist heute ein schlichtes Bistum, und beide Städte haben nicht mehr die Größe von Köln. Sie haben auch im weltlichen Bereich nicht die Funktionen wie Wirtschaftskraft, Einwohnerzahl und so weiter. Das wird eine Rolle spielen.

Aber ich bin denen nicht abgeneigt die sagen, es hängt auch mit dem Selbstbewusstsein der Kölner zusammen. Die Kölner neigen ja nicht zu extremster Bescheidenheit. Das hat auch der frühere Dompropst Norbert Feldhoff beim Papstbesuch dem Papst gesagt, als er genau auf diese Formulierung ansprach und dem Papst noch einmal vor Augen stellte, dass man sich eben als heiliges Köln und der römischen Kirche treue Tochter begreift.

DOMRADIO.DE: Das heißt, wir sind ja eigentlich ein heiliges Köln, wenn wir treue Tochter Roms sind.

Finger: Das ist ganz eng miteinander verbunden. Ich habe dieses Buch auch im Untertitel genannt: Untersuchungen zu den Grundthemen der Kölner Geschichte. Das heißt nicht, dass alles, was in Köln passiert ist, dadurch zu erklären ist. Das wäre natürlich naiv.

Die Wirtschaftsgeschichte, die Hansestadt Köln, steht auf einem anderen Blatt. Aber immer wieder tauchen diese beiden Aspekte, heilige Stadt und Tochter Roms, auf. Und sie sind immer unlösbar miteinander verbunden.

DOMRADIO.DE: Was hat Sie in Ihren Recherchen zum Thema am meisten beeindruckt?

Finger: Am meisten beeindruckt hat mich ganz sicher die Tatsache, dass man das so vielseitig begründet hat. Das Büchlein hat 17 Beiträge von mir, und die sind im Grunde 17 verschiedenen Aspekten der Heiligkeit und der Romnähe Kölns gewidmet. Da gibt es nicht nur die Menge der Reliquien von Heiligen, die natürlich gerade volkstümlich eine extrem große Rolle spielt.

Da gibt es auch Köln als Marienstadt. Die Kölner haben schließlich im Mittelalter behauptet, ihre Stadt sei in dem Jahr gegründet worden in dem die Muttergottes geboren wurde. Schließlich haben sie sogar gesagt, sie sei am selben Tag gegründet worden, an dem die Muttergottes geboren wurde. Natürlich hat man die Heiligen Drei Könige bemüht. Man hat aber auch noch viele andere Dinge bemüht und das ist dann noch enger an Rom geführt: Köln sei eine apostolische Gründung.

Der Heilige Maternus, ein Schüler des Apostels Petrus, sei von Rom geschickt worden, um die Kölner Kirche zu begründen. Und der heilige Maternus wurde dann auch identifiziert, der Name heißt ja "der mütterliche", mit dem Jüngling von Nain, dem einzigen Sohn seiner Mutter, den Christus von den Toten erweckt hat.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.


Quelle:
DR