Vor 50 Jahren startete der "Tatort"

"Wer war es und warum?"

Kein "Tatort"-Text ohne Schimanski. Der von Götz George verkörperte Ermittler "sollte einer sein, der mit Mühe nicht asozial geworden ist", so Drehbuchautor Felix Huby. Aber natürlich hat die Krimi-Reihe mehr zu bieten.

Autor/in:
Joachim Heinz
Zäheln zu den beliebtesten Kommissaren: Jan Josef Liefers (l) und Axel Prahl / © Henning Kaiser (dpa)
Zäheln zu den beliebtesten Kommissaren: Jan Josef Liefers (l) und Axel Prahl / © Henning Kaiser ( dpa )

Die öffentlich-rechtliche Jubiläumsmaschinerie läuft schon länger auf Hochtouren. Den Sommer über durften die Fernsehzuschauer bereits ihre "Tatort"-Lieblingsfolgen wählen. Seit dem 2. November gibt es eine Briefmarke zur ARD-Krimireihe. Am 29. November 1970, vor 50 Jahren, flimmerte die erste Folge über die Mattscheibe. "Taxi nach Leipzig" führte Hauptkommissar Paul Trimmel (Walter Richter) in den Osten des damals geteilten Deutschland. Seither hat sich einiges getan, zum Beispiel die Wiedervereinigung. Doch der "Tatort" bleibt und präsentiert sich erstaunlich lebendig für ein Fernsehfossil - am 29. November und 6. Dezember mit einer Geburtstags-Doppelfolge und den beiden Teams aus Dortmund und München.

Geburt des "Tatort"

Aus der Taufe hoben das Konzept vor 50 Jahren drei Herren, wie der heute 92-jährige Fernsehproduzent Günter Rohrbach unlängst in der "Zeit" schilderte. Man sei damals dringend auf der Suche nach frischen Formaten gewesen. "Also gingen der WDR-Redakteur Gunther Witte, der Drehbuchautor Peter Märthesheimer und ich im Kölner Grüngürtel spazieren, Strategiekonferenz nannten wir das."

Am Ende standen die Ideen für zwei Serien, davon eine Krimi-Reihe, um die sich Gunther Witte kümmern sollte, so Rohrbach. "Ein paar Tage später kam er zu mir und sagte: Wir machen eine Serie mit allen ARD-Sendern zusammen und nennen sie Tatort." Schlicht und ergreifend, so wie die Vorgaben: "Keine komplizierten Arthouse-Geschichten. Keine komplizierten Rückblenden. Keine Vorblenden. In den ersten Minuten muss es einen Toten geben, und dann geht es darum: Wer war es und warum?"

"Tatort" und Gesellschaft

Die Musik zum "Tatort"-Vorspann lieferte Klaus Doldinger. Später beteiligten sich Künstler wie Marius Müller-Westernhagen, die Toten Hosen, Rio Reiser und auch Dieter Bohlen an der musikalischen Möblierung der Episoden. Schlagerstar Roland Kaiser hatte 2013 gar einen "Tatort"-Gastauftritt - als Schlagerstar. Unvergessen auch der frühere Fußball-Bundestrainer Berti Vogts in der Folge "Habgier" (1999) samt Kaninchen auf dem Arm: "Es riecht nach Gas", brachte Vogts mit ebenso unsicherer wie unheilschwangerer Stimme hervor. So viel in aller Kürze: Das Kaninchen war daran nicht schuld.

Eine Männerdomäne blieb der "Tatort" eine ganze Weile lang. Erste Ermittlerin war Nicole Heesters 1978 - für drei Episoden. Dass Ulrike Folkerts alias Lena Odenthal, aktiv seit 1989, einmal die dienstälteste Kommissarin werden würde, stand damals noch in den Sternen. So oder so: Nicht nur das Personal, auch die Drehorte trugen in all den Jahren dazu bei, aus dem "Tatort" eine Mischung aus Sittengemälde und Sozialstudie der Bundesrepublik zu machen.

"Was in den Villen der Wohlhabenden begann, erreicht nun alle Schichten", hält der Bildband "Schauplatz Tatort. Die Architektur, der Film und der Tod" fest. Ein "Klassiker des bösen Wohnens" sei das Glashaus. So wie im Münsteraner "Herrenabend" von 2011. Dort hinterließ noch ein anderes Gebäude einen bleibenden Eindruck. "Noch heute sprechen mich die Leute wegen der Diözesanbibliothek an", berichtete Architekt Max Dudler vor einigen Jahren. Im Film war das kirchliche Bauwerk Firmensitz des in höchst weltliche Machenschaft verstrickten "Kartoffelkaisers" Hans Lüdinghaus.

Kultstatus auch in geistlichen Kreisen

Die Krimireihe genießt unterdessen auch in geistlichen Kreisen Kultstatus. Benediktinerpater Maurus Runge von der Abtei Königsmünster im sauerländischen Meschede hat sogar ein eigenes Buch dazu verfasst. "Ein guter Ermittler sollte viel von einem Seelsorger haben", lautet das Credo von Runge in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). "Beide brauchen diese feinfühlige Hebammenfunktion - der Seelsorger, um die Lebenswahrheit aus einem Menschen herauszubringen, und der Kommissar, um die Wahrheit ans Licht zu bringen."

Das dürfte übrigens auch für die Ermittler des in der damaligen DDR entwickelten Formats "Polizeiruf 110" gelten. Die Reihe wird im kommenden Jahr 50, worum die ARD-Granden allerdings deutlich weniger Gewese machen. Die meisten Folgen spielen im Gegensatz zum "Tatort" im Osten. Klarer Fall: Drei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung sind Deutschlands TV-Spürnasen oft noch in getrennten Revieren unterwegs.


Kult in der ARD: der Tatort. / © Christoph Schmidt (dpa)
Kult in der ARD: der Tatort. / © Christoph Schmidt ( dpa )
Quelle:
KNA
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