Jeder zweite Bundesbürger glaubt, dass die Corona-Pandemie inzwischen den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährdet oder schwächt. Und macht sich - rund ein Jahr nach Beginn der Krise - erhebliche Sorgen um das zwischenmenschliche Miteinander. Knapp zwei Drittel fürchten um die Perspektiven für Wirtschaft und Konjunktur.
Diese Kernaussagen der vom Deutschen Caritasverband in Auftrag gegebenen, repräsentativen Befragung von 2.000 Bürgern führt der Sozialverband an, um die Dringlichkeit seiner sozialpolitischen Forderungen im Bundestagswahljahr zu untermauern.
Bessere Arbeitsbedingungen
Und die Caritas sieht ihren eigenen Kurs bestätigt, wenn 48 Prozent der Befragten bessere Arbeitsbedingungen und Bezahlung im Sozialbereich fordern, 22 Prozent den Staat zur Stärkung sozialer Infrastruktur aufrufen und 18 Prozent der Umfrageteilnehmer auf mehr Bildungsgerechtigkeit pochen.
Die Bandbreite der jetzt unter dem Motto "Miteinander durch die Krise #DasMachenWirGemeinsam" gestarteten Caritas-Kampagne ist weit: Zukunft der Pflege, Wertschätzung sozialer Arbeit, Klimawandel oder Kampf gegen Rassismus lauten zentrale Schlagworte. In der Summe brauche es jetzt dringend ein breites Nachdenken über Lehren und Wege aus der Pandemie, ist der Verband überzeugt. Nicht erst im Bundestagswahlkampf. Und er ruft seine fast 700.000 Beschäftigten auf, sich an den Diskussionen zu beteiligen. "Wie kann Pflege gelingen? Was sind uns soziale Sicherung und Bildung wert?", fragt Caritas-Präsident Peter Neher.
Laut der Umfrage sind das gesellschaftliche Zusammenrücken und die anfängliche Solidarität zu Beginn der Krise nicht überall nachhaltig geblieben, und der Balkon-Applaus für die Pflegerinnen und Pfleger ist längst verhallt. Gleichzeitig habe Corona bestehende soziale Ungerechtigkeiten und Schieflagen deutlicher ins Bewusstsein gebracht, sagt Neher. So seien viele Menschen, die vor Corona gerade so mit ihrem Einkommen leben konnten, durch die Pandemie in Notlagen geraten. Bei geschlossenen Schulen und Kitas seien Familien sehr unterschiedlich durch die Krise gekommen, je nachdem ob sie im Häuschen mit Garten oder in beengter Miniwohnung leben.
"Gleichzeitig haben wir auf dramatische Weise erlebt, dass eine funktionierende soziale Infrastruktur die Voraussetzung dafür ist, dass Menschen in schwierigen Zeiten durchkommen", ist Neher überzeugt. Caritas, Diakonie und andere freie, gemeinnützige Träger im Sozialbereich seien dabei "eine entscheidende und tragende Säule" gewesen.
Konkrete Politikvorschläge
Schon jetzt zeichnet sich aus Sicht der Caritas ab, dass auf den gesamten Sozialbereich nach Ende der Pandemie und nach Staatsausgaben in Rekordhöhen harte Spardebatten zukommen werden. Auch hier will die neue Kampagne proaktiv werden. "Es hätte ernste Folgen, die soziale Infrastruktur zu gefährden oder sogar zu beschädigen, die gerade bei der Bewältigung der Krise maßgeblich war", ist der Caritas-Chef überzeugt.
Zugleich will der Sozialverband in den kommenden Wochen und Monaten konkrete Politikvorschläge vorstellen. Etwa beim Umbau der Rentenversicherung zu einer Erwerbstätigenversicherung. Jeder soll einen Rechtsanspruch auf Schuldnerberatung erhalten. Und mehr Tempo müsse es bei der Digitalisierung im Sozialbereich und bei den Schulen geben, so die Forderungen.
Die schon vor Corona angestoßene eigene Digitalisierungsoffensive habe sich in der Pandemie, als auch viele Präsenz-Beratungsstellen schließen mussten, bestens bewährt, hieß es.
Und noch ein Thema will die Caritas in den Bundestagswahlkampf einbringen: die Verknüpfung von Klimawandel und sozialer Gerechtigkeit. "Ökologie und soziale Gerechtigkeit gehören zwingend zusammen, damit in Deutschland der notwendige gesellschaftliche Konsens beim Klimaschutz erreicht wird", sagt Neher. Auf der Zielgeraden von Nehers Amtszeit - im Oktober soll ein neuer Präsident oder neue Präsidentin gewählt werden - hat sich der Sozialverband viel vorgenommen.