Schon aufgrund der klassischen Moraltheologie hätten Missbrauchstäter immer hart bestraft werden müssen, sagte der Jesuitenpater Hans Zollner der katholischen Wochenzeitung "Die Tagespost" (Samstag online).
Auch wenn gesellschaftliche Positionen und Bewertungen kirchliche Haltungen und Handlungen beeinflussten, entbinde das nicht von der eigenen gewissenhaften Prüfung des Geschehens und der entsprechenden Entscheidung, ergänzte der Leiter des vatikanischen Kinderschutzzentrums und Mitarbeiter der 2014 eingerichteten Päpstlichen Kommission für den Schutz von Minderjährigen.
Positionierung gegen Manfred Lütz
Zollner widersprach zugleich der Einschätzung des Psychiaters, Theologen und Bestsellerautors Manfred Lütz. Dieser hatte kürzlich - ebenfalls in der "Tagespost" - eine Einordnung des Handelns von Bischöfen in die jeweilige Zeit angemahnt. Demnach, so Lütz, könne es keinem kirchlichen Verantwortungsträger bis 1990 zur Last gelegt werden, wenn er damals einen Täter versetzt habe, ohne die Gemeinde vor Ort über das Geschehen zu informieren: "Ein solches Verhalten, das heute absolut verantwortungslos wäre, war damals fast unvermeidlich."
Lütz hatte seine Position unter anderem damit begründet, dass die Wissenschaft die Bischöfe damals im Stich gelassen habe. Noch 1989 habe es etwa in Fachbüchern geheißen, "dass die Untersuchungen und Verhöre, die solchen Handlungen folgen, mehr Schaden anrichten als die Handlung selbst".
Dagegen sagte Zollner: "Wer Kinder, Jugendliche und andere Schutzbefohlene sexuell oder anderweitig missbraucht, hat zu allen Zeiten und an allen Orten ein schweres Verbrechen verübt." Das hätte jedem kirchlichen Verantwortungsträger klar gewesen sein müssen - "und entsprechende Strafen und Maßnahmen wären unumgänglich gewesen".
Vermeintlicher Schutz von Täter und Kirche
Der Jesuit ergänzte, Verleugnung und Vertuschung von Missbrauch durch Bischöfe, Äbte und andere führende Geistliche lasse sich "über Jahrzehnte und Jahrhunderte nachweisen". Die Hauptmotivation lag und liege wohl in dem Versuch, vermeintlich den Ruf der Kirche und des Täters zu schützen.