Was macht ein zurückgetretener Bischof? Eigentlich ist dieser Schritt vor dem Rentenalter nicht vorgesehen, und das macht die Frage auch so kompliziert. Das Episkopat ist ein Weiheamt und diese Weihe kann nicht ohne weiteres rückgängig gemacht werden. In der Regel bietet ein Bischof, dem eine bestimmte Aufgabe wie die Leitung eines Bistums aufgetragen ist, mit Vollendung des 75. Lebensjahres dem Papst seinen Rücktritt an. Wird dieser angenommen, spricht man vom emeritierten Bischof. Die Aufgabe wird an einen Nachfolger übergeben, die Weihe bleibt bestehen.
Was passiert aber, wenn ein gesunder Bischof schon vorzeitig sein Amt verlässt? In der jüngeren deutschen Geschichte gibt es dafür drei Beispiele: Der ehemalige Bischof von Limburg Franz-Peter Tebartz-van Elst (2008-2014), Bischof Walter Mixa (1996-2005 Eichstätt, 2005-2010 Augsburg) und der Mainzer Weihbischof Franziskus Eisenbach (1988-2002).
Franz-Peter Tebartz-van Elst
Gut in Erinnerung ist vielen sicherlich noch der Skandal um den Neubau des Limburger Bischofshauses 2013. Eine Kostenexplosion brachte Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst in die Kritik. Dazu kamen hohe Ausgaben für Erste Klasse-Flüge zu Terminen, die der Bischof zunächst bestritt. Nach einer intensiven Berichterstattung über Monate bot Tebartz-van Elst am 20.10.2013 dem Papst seinen Rücktritt an. Angenommen wurde der allerdings erst ein halbes Jahr später, am 26.3.2014, obwohl ihn Rom schon drei Tage nach dem Angebot vorläufig von seinen Aufgaben entbunden hatte. In der Zwischenzeit wurde unter Federführung des Paderborner Weihbischofs Manfred Grothe ein Untersuchungsbericht erstellt, der im Vatikan geprüft wurde. Bis zur Ernennung des neuen Bischofs Georg Bätzing leitete Grothe das Bistum als Apostolischer Administrator.
Tebartz-van Elst, der seit dem Rücktritt offiziell auch als emeritierter Bischof von Limburg bezeichnet wird, ist danach in den Vatikan gegangen und arbeitet dort als “Apostolischer Delegat", das heißt Bischof mit Sonderaufgaben, im Päpstlichen Rat für die Neuevangelisierung. Dort ist er Experte für das Thema Katechese. Heute tritt er nur noch selten öffentlich auf; letztens zur Weihe eines neuen Altars in der deutschen Nationalkirche Santa Maria dell’Anima.
Walter Mixa
Im Rahmen der ersten Welle an öffentlich gewordenen Missbrauchsverbrechen in der deutschen Kirche im Frühjahr 2010 kam auch der damalige Bischof von Augsburg, Walter Mixa, in die Kritik. Bei ihm ging es vorrangig nicht um Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs, sondern um andere körperliche Misshandlungen, die er in den 1970er und -80er Jahren an Waisenkindern begangen haben soll. Mixa stritt die Vorwürfe zunächst ab, bis eine Gruppe ehemaliger Heimkinder einen unabhängigen Ermittler beauftragt hatte, der Mixa und zwei Ordensschwestern Misshandlung von Heimkindern bis ins Jahr 1980 vorwarf. In diesem Zusammenhang wurden auch Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs und verschiedener Finanzvergehen laut. Mixa gestand daraufhin ein, manche Ohrfeigen "nicht ausschließen" zu können und bot dem damaligen Papst Benedikt XVI. im April 2010 seinen Rücktritt an. Schon kurze Zeit später wurde der Rücktritt angenommen. Für Verwirrung sorgte, dass Mixa Wochen später diese Rücktrittsbitte wieder zurückzog und dafür sogar in den Vatikan reiste. Rückgängig gemacht wurde der Schritt allerdings nicht.
Heute lebt Mixa zurückgezogen in einer Gründerzeit-Villa im kleinen Ort Gunzenheim im Bistum Augsburg und unterstützt die dortige Pfarrei gottesdienstlich. Für Schlagzeilen sorgt er aber hin und wieder doch noch. So erbat er, sein 20. Bischofsjubiläum in seiner alten Wirkungsstätte, dem Eichstätter Dom, zu feiern, was ihm vom dortigen Bischof Gregor Maria Hanke untersagt wurde. Bereits kurz nach seinem Rücktritt 2010 untersagte ihm der Vatikan eine ähnliche Jubiläumsfeier im Dom zu Augsburg. Im Jahr 2019 machte Mixa Schlagzeilen mit einem Auftritt für einen Stuttgarter AfD-Politiker. Ein ähnlicher Auftritt in Augsburg wurde ihm später vom dortigen Bischof Konrad Zdarsa untersagt.
Franziskus Eisenbach
Sind die Fälle Tebartz-van Elst und Mixa noch bekannt, wird man sich weniger an den Fall des ehemaligen Mainzer Weihbischofs Franziskus Eisenbach erinnern. Eine Professorin warf dem damaligen Bischof im Jahr 2000 sexuelle Übergriffe und einen unerlaubten Exorzismus vor, was sie sowohl bei den Strafbehörden als auch im Vatikan anzeigte. Nach ersten Ermittlungen wurden die Vorwürfe von beiden Stellen fallen gelassen. Eisenbach zog sich für einige Zeit aus der Öffentlichkeit zurück, wurde aber zwei Jahre später in die Glaubenskongregation nach Rom zitiert. Der damalige Präfekt Kardinal Ratzinger legte ihm in einem offiziellen Schreiben den Rücktritt nahe, nicht als Schuldeingeständnis, sondern zum "Wohl der Kirche". Eisenbach selbst vermutete damals, dass dies eine Entscheidung im Zusammenhang mit dem gerade aufkommenden ersten Missbrauchsskandal in den USA gewesen ist und der Vatikan ein kirchenpolitisches Zeichen setzen wollte. Der Mainzer Kardinal Lehmann, Doktorvater von Eisenbach, war erbost über diesen Schritt und sprach von einem "großen Verlust für das Bistum Mainz". Im Gegensatz zu Tebartz-van Elst und Mixa kam der Rücktritt aber nicht auf Initiative des Bischofs zu Stande, sondern nach Aufforderung aus Rom. Deshalb wurde er auch zeitnah nach Eingang der Rücktrittsbitte von Papst Johannes Paul II. angenommen.
Nach seiner frühzeitigen Emeritierung verließ Eisenbach die Bistumsstadt Mainz, zog in den 150 km entfernten Ort Bad Wimpfen bei Heilbronn und leitete dort bis zum Ruhestand eine kleine Diaspora-Gemeinde mit 2.000 Mitgliedern.
Was sagt das Kirchenrecht über Rücktritte?
In katholischer Zeitrechnung ist der geregelte Bischofsrücktritt noch eine relativ neue Sache. Im Jahr 1983 erweiterte Papst Johannes Paul II. das Kirchenrecht um eindeutige Regeln, die im Kanon 401 des kanonischen Rechts festgehalten sind. Paragraf 1 spricht vom Rücktrittsangebot an den Papst mit Vollendung des 75. Lebensjahrs, zu dem jeder Diözesanbischof gebeten wird. In den oben erwähnten vorzeitigen Rücktritten greift aber der zweite Paragraf, der davon spricht, dass ein Bischofsrücktritt in Frage kommt, wenn der Bischof "wegen seiner angegriffenen Gesundheit oder aus einem anderen schwerwiegenden Grund" sein Amt als Hirte nicht mehr ausüben kann. Dann wird ihm "mit Nachdruck" der Rücktritt angeraten.
Einen Sonderfall gibt es noch bei der Entfernung aus dem Klerikerstand (Can. 290 CIC). Zu diesem Mittel wird aber nur selten gegriffen, da der ehemalige Amtsträger dann auch alle Rechte und Pflichten des Priesters verliert, die empfangene Weihe jedoch niemald ungültig wird. So geschehen zum Beispiel beim ehemaligen Kardinal McCarrick aus den USA, dem glaubhaft die Ausübung sexualisierter Gewalt angelastet wurde.
Renardo Schlegelmilch