Die Rückgänge fallen regional unterschiedlich stark aus. In einigen Bundesländern stieg der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die an einem wertevermittelnden Unterricht teilnehmen. Rückmeldungen fehlen aus Brandenburg und Schleswig-Holstein.
Grund für den Rückgang ist nicht die Corona-Pandemie, wie die meisten Ministerien zurückmeldeten. Die Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hatte zuletzt betont, dass religiöse Bildung in der Krise besonders wichtig sei. Sie ermögliche Selbstreflexion und die Auseinandersetzung mit existenziellen Fragen.
Religionsunterricht in NRW
In den bevölkerungsstärksten Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Bayern sank der Anteil der Schüler, die am Religionsunterricht teilnahmen, binnen zehn Jahren deutlich. Im Schuljahr 2019/20 besuchten in Nordrhein-Westfalen knapp 645.000 Mädchen und Jungen den evangelischen oder evangelisch konfessionell-kooperativen Unterricht, wie aus der amtlichen Schulstatistik hervorgeht. Das war mehr als ein Viertel (26,2 Prozent) aller 2,46 Millionen Schülerinnen und Schüler.
Mit mehr als 838.000 Schülern nahm ein gutes Drittel (34 Prozent) am katholischen oder katholisch konfessionell-kooperativen Religionsunterricht teil. Im Schuljahr zuvor lag der Anteil in NRW nur geringfügig höher. 2018/19 besuchten 26,4 Prozent aller Schülerinnen und Schüler den evangelischen und 34,5 Prozent den katholischen Religionsunterricht.
Etwas größer ist der Unterschied im bevölkerungsreichsten Bundesland im Zehnjahresvergleich. Im Schuljahr 2009/10 lag der Anteil der Jungen und Mädchen, die am evangelischen Religionsunterricht teilnahmen, noch bei 28,7 Prozent, den katholischen Religionsunterricht besuchten 37,3 aller Schüler.
Ethikunterricht wird teils beliebter
In Bayern fiel der Rückgang noch stärker aus. Dort wählten im Schuljahr 2009/2010 noch gut 78,3 Prozent aller knapp 1,84 Millionen Schüler an allen allgemeinbildenden und beruflichen Schulen Religion als Fach. Zehn Jahre später sank der Anteil auf 66,5 Prozent der rund 1,65 Millionen Schüler, wie das bayerische Kultusministerium mitteilte.
Auch in Niedersachsen und Rheinland-Pfalz sank zwar der Anteil der Schüler, die am Religionsunterricht teilnehmen. Dafür nahmen mehr Schüler am Ethikunterricht teil. In Niedersachsen stieg der Anteil der Schüler, die einen wertevermittelnden Unterricht besuchten, von 89,3 Prozent im Jahr 2000 auf 95,6 Prozent im Jahr 2019. In Rheinland-Pfalz verdoppelte sich der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die Ethikunterricht anstelle des Fachs Religion wählten, in den vergangenen zehn Jahren nahezu. Im laufenden Schuljahr lag er bereits bei über 25 Prozent, wie das Mainzer Bildungsministerium mitteilte.
Thüringen mit Sondersituation
Ein besonderes Bild zeigt sich in Thüringen. Dort ist zwar der Anteil der Schüler, die evangelischen Religionsunterricht hatten, seit 2010/11 gesunken. Zugleich sank aber auch die Zahl der Schüler, die überhaupt keinen wertegebundenen Unterricht besuchten, bis zum laufenden Schuljahr auf 0,8 Prozent. Im Schuljahr 1992/93 hatten noch 65,4 Prozent aller Schülerinnen und Schüler weder evangelischen, noch katholischen oder Ethik-Unterricht besucht.
Zuvor war der Anteil der Teilnehmer vor allem am evangelischen Religionsunterricht bis 2010/11 jedes Jahr gestiegen. Der sprunghafte Anstieg der Schülerzahlen im evangelischen Religionsunterricht Anfang der 1990er Jahre sei auf die Wende zurückzuführen, teilte die zuständige Referentin im Thüringer Bildungsministerium dem epd mit.
Allerdings habe das weniger damit zu tun, dass man als gläubiger Mensch in der DDR nicht gut gelitten gewesen sei, sondern in erster Linie damit, dass erst ab dem Schuljahr 1991/92 überhaupt Religionsunterricht in der Stundentafel verankert worden sei.