Es gibt ein Reformprojekt, das Papst Franziskus mit besonderem Eifer verfolgt: den personellen und strukturellen Umbau der katholischen Kirche in Spanien. Der konservative Hauptstadt-Kardinal Antonio Rouco Varela hatte sie jahrzehntelang dominiert. Charakteristisch für ihn war eine Strategie der klaren Kante. Aber gegen die zunehmende Distanz vieler Spanier zur Kirche vermochte der polarisierende Kardinal letztlich wenig auszurichten.
Strategiewechsel kurz nach Beginn des Pontifikats von Franziskus
Franziskus leitete kurz nach Beginn seines Pontifikats einen Strategiewechsel ein: In Madrid installierte er 2014 mit Carlos Osoro Sierra einen neuen Erzbischof, die Ära Rouco Varela war beendet. Ein Jahr später vollzog der Papst den nächsten wichtigen Einschnitt. Er ernannte Juan Jose Omella zum Oberhirten von Barcelona, der zweitgrößten Stadt des Landes.
Der Geistliche, der am 21. April seinen 75. Geburtstag feiert, ist ein Mann des Ausgleichs - ganz nach dem Geschmack von Franziskus. Bei kontroversen gesellschaftlichen Themen - etwa beim Unabhängigkeitskampf Kataloniens - will er vermitteln, Frieden stiften. Gott möge helfen, "die Konfrontation zu vermeiden und eine friedliche Zukunft zu gestalten", sagte er auf dem Höhepunkt der Katalonien Krise.
Besonderes Engagement für die Jugend
Mit besonderem Engagement setzt sich Omella seit Jahren für einen "ehrlichen Dialog" mit der Jugend ein. Sein Ansatz: Eine geeinte Familie werde in der heutigen individualistischen Gesellschaft immer wichtiger. Gemeinsam mit dem ähnlich gesinnten Kardinal Osoro bildet er ein kirchenpolitisches Tandem, das vom Papst angestoßene Reformen, etwa in Sachen Missbrauchsprävention, entschieden vorantreibt.
Omellas Wurzeln liegen im Nordosten Spaniens. Geboren 1946 in Cretas in der Autonomen Region Aragon, studierte er Philosophie und Theologie in Saragossa, Louvain und Jerusalem. 1970 folgte die Priesterweihe. Bis zur Ernennung zum Weihbischof 1996 arbeitete er in seinem Heimatbistum Saragossa und anschließend als Bischof kleinerer Diözesen im Grenzgebiet zu Frankreich.
Großer Aufstieg erst unter Franziskus
Zum großen Aufstieg kam es erst unter Franziskus. Der nahm den von ihm berufenen Erzbischof Barcelonas 2017 ins Kardinalskollegium auf. Als Mitglied der Bischofskongregation hat Omella seither beträchtlichen Einfluss in der römischen Kurie. In seiner spanischen Heimat steht er seit rund einem Jahr offiziell an der Spitze des katholischen Klerus. Die Bischofskonferenz wählte ihn am 3. März 2020 zum neuen Vorsitzenden. Als Stellvertreter steht ihm Amtsbruder Osoro aus Madrid zur Seite.
Das erste Amtsjahr fiel nicht nur wegen der Corona-Krise durchwachsen aus. So erwies sich der Dialog mit der sozialistischen Regierung von Ministerpräsident Pedro Sanchez als weitaus schwieriger als gedacht. Omella musste trotz seiner entgegenkommenden Art etliche Niederlagen einstecken. Die schlagzeilenträchtigste ist sicherlich die kürzlich verabschiedete Legalisierung der aktiven Sterbehilfe.
Obwohl die Bischöfe vor einem "moralischen Bruch" gewarnt hatten, stimmte das Parlament mit großer Mehrheit für die Regelung. Im Vatikan reagierte man enttäuscht. Erzbischof Vincenzo Paglia, Präsident der Päpstlichen Akademie für das Leben, sprach von einer "Kapitulation" vor der "schmutzigen Arbeit des Todes".
Umstrittenes Bildungsgesetz konnte nicht verhindert werden
Ein umstrittenes neues Bildungsgesetz zum Nachteil kirchlicher Privatschulen vermochte Barcelonas Kardinal ebenso wenig zu verhindern. Spanische Schulen in katholischer Trägerschaft müssen künftig mit weniger Fördermitteln rechnen, weil sie nach Auffassung der Linksregierung nicht inklusiv genug sind. Trotzdem setzt Omella weiter auf eine Verständigung mit den Sozialisten. Denn es bleiben existenzielle Konfliktfelder: Kirchenbesitz und Kirchenfinanzierung.
Dass der Kardinal zur Not auch eine andere Gangart einlegen kann, bewies er vor einigen Monaten: Ungeachtet eines staatlichen Verbots feierte er in seiner Kathedrale Sagrada Familia eine Trauermesse für Corona-Opfer. In einer Erklärung bestand das von ihm geleitete Erzbistum «auf das verfassungsmäßig geschützte Recht auf Religionsfreiheit». Die Dialogbereitschaft Omellas - sie ist keineswegs grenzenlos.