Die schleppende Aufarbeitung von Missbrauchstaten in den Kirchen setzt nach Ansicht des Göttinger Kirchenrechtlers Hans Michael Heinig die Kooperationsbeziehung von Staat und Kirche unter Druck. Das Thema habe das Potenzial, den Kooperationsgedanken von Religion und Politik "grundlegend zu unterminieren", sagte Heinig am Donnerstagabend bei einer Diskussionsveranstaltung in Berlin.
Diözesen zur Herausgabe ihrer Akten verpflichten
Die Beziehung zwischen Staat und Kirchen gründe in einem grundlegenden Vertrauen. Das Kooperationsmodell basiere auch auf dem Vertrauen, dass "kein Missbrauch von Machtpositionen" stattfinde - etwa in Schulen oder in der Jugendarbeit, sagte Heinig bei der von der FDP-Bundestagsfraktion ausgerichteten Veranstaltung. Die Kooperation zwischen Staat und Religionsgemeinschaften stehe in einer säkularen Gesellschaft ohnehin unter Druck.
Es stelle sich die Frage, ob die Religionsgemeinschaften in den vergangenen Jahren ihrer Verantwortung, Missbrauch vorbehaltlos aufzuklären, gerecht geworden seien, oder ob nicht der Staat diese Verantwortung deutlicher hätte einklagen müssen - auch mit rechtlichen Mitteln, sagte Heinig. Da es sich vor allem um massive Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung Minderjähriger handele, hätten beispielsweise Staatsanwaltschaften mehr ermitteln und Diözesen zur Herausgabe ihrer Akten rechtlich verpflichten können.
Kirchen müssen täterschützende Strukturen abbauen
Der religionspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Benjamin Strasser, sagte, es sei nicht so einfach, staatliche Strukturen für die Missbrauchsaufarbeitung in der Kirche zu schaffen. Zum einen seien viele der Missbrauchstaten verjährt. Dadurch könne nicht mehr mit den Mitteln des Strafrechts für Gerechtigkeit gesorgt werden. Zum anderen brauche man die Kirchen bei der Aufarbeitung. Sie müssten beispielsweise täterschützende Strukturen abbauen.