"Der Mann aus Nazareth hätte seine Freude gehabt und wäre mitgegangen", mit diesen Worten begrüßt Karl Haucke die 60 Pilger, die sich von Dormagen aufgemacht haben, um mit ihrem Marsch Richtung Köln dafür zu protestieren, dass sich im Erzbistum etwas verändern muss. Karl Haucke ist der frühere Sprecher des Betroffenenbeirates des Erzbistums Köln. Er gehört zu den über 200 Christen, die die Pilgergruppe in der Kardinal-Frings Straße empfangen. Auf der Bühne kritisiert Haucke die Bistumsleitung massiv für die mangelhafte Aufarbeitung der sexualisierten Gewalt in der Kirche.
Die Idee zu diesem besonderen Pilgerweg hatte der Dormangener Pfarrer Klaus Koltermann. Um sieben Uhr früh waren die Pilger an der Nievenheimer Wallfahrtskapelle aufgebrochen. "Das waren nicht 30, sondern 40 Kilometer", entschuldigt sich Pfarrer Koltermann bei den Gläubigen, die geduldig eine Stunde auf die Pilgerguppe gewartet haben. Als Koltermann und Begleitung eintreffen singen alle: "Jetzt ist die Zeit, jetzt ist die Stunde, worauf es ankommt" und natürlich das kölsche Traditionslied "Zo Foß nach Kölle gon". Dann großer Applaus für die Pilgergruppe.
Ein Zeichen in Richtung der Visitatoren
Die Kundgebung der Katholiken am Samstagnachmittag ist eine außergewöhnliche Demonstration. Da sind Vertreter der Kölner Kevelaer-Bruderschaft von 1672 dabei, verschiedene katholische Frauenverbände, Pfadfinder, Religionslehrerinnen und Religionslehrer, engagierte Gemeindemitglieder - eine breite Koalition aus den verschiedensten katholischen Milieus. Priester sind auch gekommen.
Auf der Bühne spricht Maria Mesrian von Maria 2.0. Es spricht auch der Schulseelsorger Pfarrer Dirk Peters und fordert die Mächtigen der Kirche auf, in sich zu gehen, und der Priester Klaus Thranberend, der darüber laut nachdenkt, wie man Kirche gemeinsam gestalten kann. Das heißt, der kölsche Klerus ist dabei, wenn hier auch gegen Klerikalismus demonstriert wird. "Es gibt genügend Pfarrer, die die Nase von den alten Strukturen voll haben", sagt einer. Mit ihrem Protest wollen sie auch ein Zeichen in Richtung der beiden Visitatoren schicken, die der Papst nach Köln gesandt hat, um im Erzbistum nach dem Rechten zu sehen.
Der Geist Jesu beflügelt uns
"Hier hängen alle an der Kirche, aber sie sind nicht zufrieden mit der Kirche, sie wollen, dass Kirche anders wird", sagt Pfarrer Koltermann. Unterwegs sei die Pilgergruppe oft freundlich begleitet worden, Passanten in Fußgängerzonen oder auch Spaziergänger hätten ihnen Ermutigendes zugerunfen, ihre Daumen nach oben gehalten, viele Gespräche habe er geführt. Und eines betont er auch, sie seien hier nicht als Krawallmacher unterwegs, sondern ihnen gehe es um die Sache Jesu. "Unterwegs haben wir immer wieder einen frischen Wind gespürt", sagt Koltermann, "der uns beschleunigt hat. Ich glaube der Geist Jesu hat uns beflügelt und stark gemacht, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren".
Ein gemeinsames 'Vater Unser'
Als Schlusspunkt der Kundgebung bilden die Gläubigen eine Menschenkette, die Kardinal-Frings-Straße entlang, vor dem Erzbischöflichen Haus stehen sie in zwei Reihen, halten sich an den Händen. Pfarrer Koltermann betet das 'Vater Unser' vor, alle beten mit. Danach sagt der Dormagener Pfarrer, dass es ein tolles Zeichen gewesen wäre, wenn sich die Tür zum Haus des Kardinals geöffnet hätte und der Erzbischof sich in die Menschenkette eingereiht hätte, um mit allen gemeinsam zu beten. "Dann wären alle perplex gewesen", sagt Koltermann. "Das wäre ein anderes, offenes Zeichen gewesen und wir hätten ihn ganz anders kennengelernt."