"Wir wollen Frieden", rufen die Einwohner von Reynosa. Andere rufen: "Reynosa verdient es, in Ruhe zu leben" und "Wir wollen ohne Angst durch unsere Stadt gehen können". Einige Hundert von ihnen sind am Wochenende in der nordmexikanischen Grenzstadt zusammengekommen. Immer noch geschockt und entsetzt über ein Massaker von Kriminellen, bei dem am 19. Juni 15 Menschen ums Leben kamen. Nun wollen die Bürger endlich ein Ende der Gewalt.
Auch Papst Franziskus in Sorge
Sogar Papst Franziskus zeigte sich bewegt über die Vorfälle und schrieb einen Brief an den Bischof von Matamoros, Eugenio Lira Rugarcia. Darin drückte er den Familienangehörigen der Opfer und den Gläubigen in der Diözese des Bundesstaates Tamaulipas seine Solidarität aus und sprach von der "ungerechtfertigten Gewalt, die diese christliche Gemeinschaft betrauert". Nach der traurigen Nachricht von der blutigen Konfrontation in Reynosa mit vielen unschuldigen Opfern biete der Heilige Vater seinen Beistand an, heißt es in dem von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin unterzeichneten Brief. Parolin selbst war erst vor wenigen Tagen in Mexiko und rief die Bürger zur Versöhnung auf.
Zuvor hatte sich bereits Bischof Eugenio Lira Rugarcia an die Öffentlichkeit gewandt und gefordert: "Schluss mit der Gewalt!" Reynosa habe viele seiner einzigartigen Söhne verloren. "Einzigartig, weil jeder Mensch unersetzbar ist", sagte der Bischof. Viele Familien aus der Stadt seien dabei, mit großem Schmerz ihre Angehörigen zu bestatten.
Im Kugelhagel zwischen einer bewaffneten Bande und der Polizei starben wahllos Taxifahrer, Krankenpfleger, Händler und Rentner, insgesamt 15 Menschen. Auch vier Bandenmitglieder erlagen ihren Schusswunden.
Es ist das zweite Mal innerhalb weniger Monate, dass der Bundesstaat Tamaulipas zum Schauplatz brutaler Gewalt wird. Ende Januar waren 19 Migranten, überwiegend aus Guatemala, getötet worden. Sie wurden in Fahrzeugen erst erschossen und dann verbrannt; offenbar hatten sie Schlepper dafür bezahlt, sie über die Grenze in die USA zu bringen.
Die Bilder der ausgebrannten Fahrzeuge gingen um die Welt.
"Die Behörden haben nichts unternommen, es waren die Einwohner, die den Fall bekannt gemacht haben", sagte der damals amtierende Bischof Raul Vera Lopez aus der Diözese Saltillo und kritisierte den Umgang der Behörden mit dem Fall. Der Menschenhandel sei ein großes Geschäft für die Mafia, so der Bischof. Offenbar hätten die verfeindeten Gruppen nicht gewollt, dass ihre Rivalen mit den Migranten Geld verdienen, und deshalb entschieden, die Menschen zu töten.
Scharfe Kritik am mexikanischen Staat
Auch beim neuen Massaker in Reynosa üben Experten scharfe Kritik am mexikanischen Staat. Der Präsident des Komitees für Menschenrechte von Nuevo Laredo, Raymundo Ramos Vazquez, sagte mexikanischen Medien, hinter der Bluttat vom 19. Juni könne eine paramilitärische Gruppe und nicht die organisierte Kriminalität stecken. Diese paramilitärische Gruppe operiere direkt auf Befehl von Funktionsträgern der Regierung.
Diese Darstellung widerspricht allerdings der Aussage des Generalstaatsanwalts von Tamaulipas, Irving Barrios. Laut offiziellen Angaben der regionalen Behörden sei die Schießerei das Ergebnis einer Konfrontation krimineller Gruppen gewesen. In einem Interview mit dem Nachrichtenportal "Aristegui En Vivo" sagte der Menschenrechtler Ramos Vazquez, das Attentat könnte eine Folge der Parlaments- und Regionalwahlen Anfang Juni gewesen sein.
"Die Einwohner von Reynosa glauben, das war eine Strafe dafür, dass sie den Gouverneur Francisco Garcia Cabeza de Vaca und seine Partei PAN haben verlieren lassen und MORENA gewonnen hat", sagte Ramos Vazquez. MORENA ist die Partei des linksgerichteten Staatspräsidenten Andres Manuel Lopez Obrador. Der müsse das Massaker nun als Akt des Terrorismus bezeichnen, forderte der Menschenrechtsaktivist.