Selbst als Ex-US-Präsident bleibt er ein Publikumsmagnet. Barack Obama, vor 60 Jahren, am 4. August 1961, in Honolulu auf Hawaii geboren, hat etwas, das man nicht lernen kann: Charisma. Sein erster Auslandsauftritt als "Pensionär" führt ihn im Mai 2017 zum Evangelischen Kirchentag nach Berlin auf einen Plausch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Rund 70.000 Menschen versammeln sich damals vor dem Brandenburger Tor. Und Obama liefert.
Der Glaube sei ihm wichtig, aber religiöse Rechthaberei lehne er ab, so der erste afroamerikanische Präsident der Vereinigten Staaten.
"It's not always easy"
Nachdenklich gibt er sich, als vier zum Podium geladene junge Menschen von ihm wissen wollten, warum er sich für die Entwicklung militärischer Drohnen eingesetzt habe. "It's not always easy" - "Es ist nicht immer so einfach". Ihm sei es darauf angekommen, eine legale Struktur für den Einsatz der Technik zu schaffen. Zum Schluss ein Schwenk Richtung Selbstironie. Aktuell beschränke er sich auf seine Rolle als Ehe- und Hausmann; das sei ihm gerade Herausforderung genug.
Der Sohn eines Kenianers und einer US-Amerikanerin mit schottischen und irischen Wurzeln wuchs auf Hawaii und in Indonesien auf. Während des Studiums am Occidental College in Los Angeles ging er seinen Freunden mit der Attitüde eines belesenen Weltverbesserers auf die Nerven. Schon als Sozialarbeiter in Chicago musste er lernen, wie mühsam es ist, tatsächlich Veränderungen zu erreichen.
"Wenn ich in der Zeit zurückreisen könnte, würde ich diesem jungen Mann dringend raten, die Bücher für einen Augenblick zur Seite zu legen, das Fenster zu öffnen und frische Luft hereinzulassen (damals rauchte ich wie ein Schlot). Ich würde ihn ermutigen, eine Pause zu machen, sich mit Leuten zu treffen und all das zu genießen, was das Leben für Menschen in ihren Zwanzigern bereithält", schreibt er seinen Memoiren.
Stattdessen wechselt Obama von Chicago zum Jura-Studium nach Harvard.
In den Sommerferien jobbt er in einer Kanzlei in Chicago. Die damals 25-jährige Anwältin Michelle Lavaughn Robinson wird ihm als Mentorin zur Seite gestellt - der Beginn einer bis heute offenbar glücklichen Beziehung. "Sie war groß, schön, witzig, aufgeschlossen, hilfsbereit und unglaublich smart - und ich war von der ersten Sekunde an hin und weg", so Obama. Das Paar heiratet im Oktober 1992 in der protestantischen Trinity United Church of Christ in Chicago, einer von Afroamerikanern geprägten Gemeinde.
Nähe zu Reverend Wright
Jeremiah A. Wright, der Geistliche, der Michelle und Barack traut, ist ein wortgewaltiger Prediger gegen Rassismus und Ungleichheit - der den Bogen allerdings mitunter überspannt. Im Wahlkampf um das Präsidentenamt fällt Obama die Nähe zu dem Reverend auf die Füße.
Medien bringen Passagen aus Wrights Predigten, in denen er Amerika verdammt und der US-Regierung die Schuld an Aids und den Anschlägen des 11. September gibt. Die Kampagne des demokratischen Bewerbers gerät ins Wanken - doch Obama befreit sich aus dem Dilemma mit einer seiner besten Reden.
"Der grundlegende Fehler in Pastor Wrights Predigten besteht nicht darin, dass er den Rassismus in unserer Gesellschaft angesprochen hat. Der Fehler besteht darin, dass er so sprach, als ob unsere Gesellschaft statisch wäre", ruft Obama seinen Zuhörer zu. "Was wir aber wissen und was wir gesehen haben: Amerika kann sich wandeln." Später werden er und Michelle aus der Gemeinde austreten. Ungeachtet dessen gelingt es aber auch Obama nicht, als Präsident die Gräben in der Gesellschaft zu schließen.
Innenpolitisch lähmt die Blockade zwischen Republikanern und Demokraten die Vorhaben des Präsidenten. Immerhin setzt er sich beim Tauziehen um die Gesundheitsreform durch. Das bis heute in den USA umstrittene Paket unterstützt unter anderen die Ordensfrau Carol Keehan, die für den dankbaren Obama - "Ich mag Nonnen" - versucht, bei den Katholiken Bedenken gegen das Projekt zu zerstreuen.
Auch außenpolitisch fällt Obamas Bilanz durchwachsen aus - obwohl er bereits 2009 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wird. Die schlagzeilenträchtige Tötung von Osama Bin Laden 2011 oder das Engagement der USA im Syrienkrieg bringen die Welt einer Lösung der Konflikte im Nahen und Mittleren Osten keinen Schritt näher. Das 2015 abgeschlossene Atomabkommen mit dem Iran steht von vornherein auf wackeligen Füßen und wird, wie so vieles, durch Obamas Nachfolger Donald Trump torpediert.
Fortschritte gibt es beispielsweise beim Klimaschutz oder im Verhältnis zum kommunistischen Kuba. 2015 treffen sich erstmals seit 1956 die Präsidenten beider Staaten zu einem persönlichen Gespräch.
Begegnung zwischen Obama und Franziskus
Die diplomatische Vorarbeit dazu hatte der Vatikan geleistet. Ein Jahr zuvor, 2014, kommt es zu einer Begegnung zwischen Obama und Franziskus.
Der Papst überreicht dem Präsidenten eine Ausgabe von "Evangelii gaudium", seinem ersten Lehrschreiben, in dem er unter anderem Kritik an der globalen Wirtschaftsordnung äußert. "Ich werde es vielleicht im Oval Office lesen, wenn ich tief frustriert bin. Ich bin sicher, es wird mich stärken und mich beruhigen", sagt Obama.
Beunruhigend geraten vor allem die Jahre nach Obamas Abtritt von der ganz großen Bühne. "Unsere Demokratie scheint am Rand einer Krise zu taumeln", bilanziert er im ersten Band seiner Memoiren, die 2020 kurz vor der Abwahl seines Nachfolgers Donald Trump erscheinen. Inzwischen ist mit Joe Biden Obamas einstiger Vize am Ruder.
Und der Ex-Präsident? Tourt als gefragter Redner durch die Welt und gründet mit Gattin Michelle 2018 das Medienunternehmen "Higher Ground". Gleich der erste Film, den die Firma zusammen mit Netflix auf den Markt bringt, ist ein Volltreffer. "American Factory" über ein Unternehmen im wirtschaftlich dahinsiechenden "Rust Belt" der USA erhält 2020 einen Oscar als bester Dokumentarfilm.