Als Kaiser Otto III. 1002 im Alter von nur 21 Jahren starb, war seine Idee von der "Renovatio imperii" vorerst gescheitert. Otto träumte von einem geeinten römisch-deutschen Reich mit Rom als geistlichem und weltlichem Zentrum. Doch die römische Gesellschaft, welche von einflussreichen Adelsfamilien dominiert wurde, hatte es dem deutschen Kaiser nicht einfach gemacht. Nach einem Aufstand mussten Otto und Papst Silvester II. die Stadt verlassen. Zur Wiedereinnahme Roms kam es nicht mehr. Otto starb in Folge heftiger Fieberanfälle in Castel Paterno bei Faleria. Seine Gefolgsleute brachten den Leichnam über die Alpen, um ihn auf Wunsch des Kaisers in Aachen beizusetzen.
Im bayerischen Polling angekommen, wurde der Tross vom dortigen Landesherrn, Herzog Heinrich IV., empfangen, der sich als Nachfolger ins Spiel brachte. Heinrichs Vorschlag begeisterte Ottos Vertraute nicht wirklich. Obwohl der Bayernherzog ein Verwandter des Verstorbenen war, hatte es immer wieder Streit zwischen seinen Vorfahren und der regierenden Linie der Ottonen gegeben.
Der Kölner Erzbischof Heribert favorisierte längst schon einen anderen Kandidaten: den Herzog von Schwaben, Hermann II. Seinetwegen hatte Heribert die Heilige Lanze, die wichtigste Reliquie des Reiches, vorsorglich nach Aachen bringen lassen. Doch mit dem plötzlichen Auftreten Heinrichs rechnete niemand ernsthaft. Durch geschicktes Taktieren setzte sich der Bayernherzog durch und ließ sich am 7. Juni 1002 in Mainz zum König wählen und von Erzbischof Willigis salben.
Vom König zum Kaiser
Die Politik seines Vorgängers Otto setzte König Heinrich nicht fort. Er konzentrierte sich zunächst mehr auf die Länder nördlich der Alpen, um sich dort weitere Anerkennung seines Königtums zu verschaffen. Nutznießer waren vor allem Klöster und Kirchen, da er ihnen zu Privilegien und Reichtümern verhalf und die Reformbewegung der Orden vorantrieb.
Erst zwei Jahre nach seiner Krönung zog Heinrich nach Italien. Dort wehrte man sich mit aller Macht gegen die Einflussnahme eines deutschen Königs oder Kaisers. Trotz Mordes an einem Bischof war nach dem Tod Ottos III. Arduin von Ivrea zum italienischen König gewählt worden. Weil es einige italienische Bischöfe mit ihm nicht ganz einfach hatten, riefen diese Heinrich II. um Hilfe. Der kam, vertrieb Arduin und ließ sich in Pavia selbst zum König von Italien krönen. Damit hatte nun Heinrich einen entscheidenden Schritt zum nächsten Titel getan: römisch-deutscher Kaiser. Doch den krönte von jeher ausschließlich der Papst.
In Rom standen die Päpste seit dem Tod Ottos III. unter dem Einfluss des mächtigen Patriziers Johannes Crescentius, der sich jegliche Einmischung deutscher Machthaber in die Belange der römischen Kirche verbat. Als im Mai 1012 Benedikt VIII. aus dem Geschlecht der Tuskulaner zum Papst gewählt wurde, hatte sich dieser zunächst gegen einen Kandidaten der Crescentier, der ebenfalls das Petrusamt für sich beanspruchte, durchzusetzen. Benedikt fand in Heinrich einen mächtigen Verbündeten, und so kam es am 14. Februar 1014 zum entscheidenden Akt der Kaiserkrönung in der Petersbasilika in Rom.
Ein Kaiser mit theologischer Ausbildung
Heinrich hatte es nun geschafft, römisch-deutscher Kaiser zu sein. Seine Erziehung und Bildung, die er bei bedeutenden Theologen – eigentlich war Heinrich für den geistlichen Stand vorgesehen – in Freising, Hildesheim und Regensburg genossen hatte, ermöglichte ihm auch ein Wirken in innerkirchlichen Angelegenheiten. Auf Synoden, die Heinrich gemeinsam mit Benedikt abhielt, wurde eine Verschärfung der Zölibatspflicht beschlossen und der Kauf von kirchlichen Ämtern weiter eingeschränkt.
Auch in liturgische Texte griff Heinrich ein. So wurde auf sein Bestreben das Glaubensbekenntnis nach karolingischem Vorbild in die päpstliche Heilige Messe eingefügt, wobei langfristig auch der bis dahin rein karolingische Zusatz übernommen wurde, dass der Heilige Geist aus dem Vater und dem Sohn ("filioque") hervorgeht. Mit Bischöfen, denen er intellektuell überlegen war, konnte Heinrich zum Teil derbe Späße treiben. So ließ er beispielsweise den Paderborner Bischof Meinwerk, der des Lateinischen nicht besonders kundig war, vor dem lachenden Hof eine Messe für Esel und Maulesel halten.
Keine Nachkommen – Christus als Erbe
Um seine Nachfolge machte sich Kaiser Heinrich wenig Gedanken, obwohl die Ehe mit Kunigunde von Lützelburg (Luxemburg) kinderlos blieb. Heinrich dachte da ganz pragmatisch und bestimmte Christus selbst zu seinem Erben.
Als Heinrich am 13. Juli des Jahres 1024 als letzter Kaiser aus dem Geschlecht der Ottonen starb, wurde sein Leichnam nach Bamberg überführt, das er zum Bistum erhoben hatte. 1146 erwirkte die Diözese seine Heiligsprechung, weshalb er von einigen späteren Geschichtsschreibern mit dem Beinamen "der Heilige" bedacht wurde.
Anlässlich des 1000. Todestags Kaiser Heinrichs begeht das Erzbistum Bamberg 2024 ein Gedenkjahr und widmet viele Veranstaltungen dem großen Bistumsgründer. Beim Heinrichsfest im Jahr zuvor konnten Heinrich und Kunigunde sogar als Playmobilfiguren erworben werden.
Ideal des christlichen Herrschers
Die Urteile der modernen Forschung über Heinrich fallen unterschiedlich aus. Während die einen in ihm die ideale Verkörperung des christlichen Herrschers sehen, bewerten ihn andere als nüchternen Pragmatiker, der die Reichskirche rücksichtslos für seine Zwecke instrumentalisierte.
Seine großzügigen Schenkungen waren in der Regel auch mit entsprechenden Forderungen verbunden. Von der Investitur der Bischöfe machte Heinrich eifrig Gebrauch und setzte sich dabei nicht selten über verbriefte Rechte des Klerus hinweg. Die Wahl des Kaisers fiel hier auf reichs- und königstreue Männer, aus deren Reihen bedeutende Persönlichkeiten hervorgingen.
Das Bündnis zwischen Kaiser und Papst war auf eine ähnliche Art und Weise zustande gekommen wie schon 200 Jahre zuvor zwischen Karl dem Großen und Leo III. Es sollte aber auch das vorerst letzte dieser Art enger Verknüpfung von weltlicher und geistlicher Macht sein. Heinrichs Nachfolger konnten daran nicht mehr anknüpfen. Unter Heinrich IV. kam es sogar zu Auseinandersetzungen ("Investiturstreit") mit Papst Gregor VII. und dem Gang nach Canossa.
Einflussnahme heute kaum denkbar
Heute wäre es kaum denkbar, dass ein weltlicher Herrscher einen solchen Einfluss auch auf innerkirchliche, theologische und sogar liturgische Angelegenheiten ausübt. China bildet hier wohl eine – allerdings sehr undurchsichtige – Ausnahme. Dass beispielsweise die Neuvertextung des Vaterunser durch den ehemaligen Bundestagspräsident Norbert Lammert nicht Aufnahme in die liturgischen Bücher gefunden hat, mag aber auch daran liegen, dass – abgesehen von der Frage, ob das überhaupt die Intention des Autors war – die damalige Einheit von Kirche und Staat heute so nicht mehr existiert. Der Kaiser stand damals kraft seines Amtes inmitten der Kirche, "imperium" und "sacerdotium" bildeten zusammen das "unum corpus Christianorum".
Heutige Einflussnahmen hingegen beruhen auf einem Gegenüber vom Kirche und weltlicher Macht. Und da reagiert man im Vatikan mitunter – wenn überhaupt – wenig erfreut auf kirchenpolitische Äußerungen engagierter Katholiken, die im weltlichen Bereich tätig sind. Die Auseinandersetzungen um den Synodalen Weg und andere Konflikte der vergangenen Jahre haben das immer wieder gezeigt.
Rund 1000 Jahre nach dem Tod Heinrichs II., der vom folgenden Investiturstreit noch nichts ahnen konnte, steht das Verhältnis zwischen kirchlichen Amtsträgern und weltlichen Mächtigen nicht nur in Europa in der Diskussion. Die Voraussetzungen dafür, nämlich wie Kirche und Welt beschaffen sind, haben sich in den letzten 10 Jahrhunderten nicht unwesentlich geändert.
Anmerkung: Dieser Artikel war anlässlich des 1000. Jahrestags der Krönung Heinrichs II. 2014 verfasst worden und wurde an einigen Stellen aktualisiert bzw. ergänzt.