Entsetzen über ausländerfeindliche Übergriffe in Chile

Mob zündet Spielzeug geflüchteter Kindern an

Bei ausländerfeindlichen Ausschreitungen gehen die letzten Habseligkeiten venezolanischer Flüchtlinge im Norden Chiles in Flammen auf - die Kirche verurteilt den Hass auf die Migranten.

Autor/in:
Von Tobias Käufer
Bei einer Demo gegen illegale Einwanderer verbrennen Menschen Zelte Geflüchteter / © Ignacio Muñoz (dpa)
Bei einer Demo gegen illegale Einwanderer verbrennen Menschen Zelte Geflüchteter / © Ignacio Muñoz ( dpa )

Weinende Flüchtlingskinder, verängstigte Eltern: Die Ausschreitungen in der nordchilenischen Stadt Iquique gegenüber venezolanischen Flüchtlingen sorgen auch Tage danach für Diskussionen in der chilenischen Gesellschaft. Ein wütender Mob hatte die letzten Habseligkeiten der Bewohner eines Flüchtlingscamps angezündet, darunter auch die wenigen Spielzeuge von Flüchtlingskindern. Rund 3.000 Menschen hatten nach Angaben lokaler Medien gegen die Präsenz der Flüchtlinge demonstriert; ein Teil der Demonstranten sei anschließend gewalttätig geworden.

Ausländerfeindliche Parolen

Bei den Protesten gegen die anhaltende Zuwanderung von Flüchtlingen aus Venezuela wurden demnach auch ausländerfeindliche Parolen gerufen. Migrantenkinder hätten weinend Schutz gesucht, heißt es. Das Flüchtlingshilfswerk UNHCR und das Kinderhilfswerk Unicef verurteilten die Gewalt. Der chilenische Staat müsse die Rechte der Kinder und junger Migranten schützen. Laut Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen haben inzwischen rund sechs Millionen Menschen das krisengeschüttelte Venezuela verlassen. Allein nach Chile seien rund 500.000 Venezolaner geflohen.

Kontrollverlust

Der Bürgermeister von Iquique, Mauricio Soria, zeigte Verständnis für die Proteste: "Das große Problem für Iquique und den Norden ist der totale Kontrollverlust an den Grenzen", sagte der Politiker dem Sender CNN Chile. Dagegen verurteilte die katholische Kirche die Vorfälle scharf: "Das ist nicht das Chile, das wir alle anstreben", erklärte die nationale Bischofskonferenz. Man dürfe "nicht vergessen, dass hinter Migration Armut, Gewalt und Krisen stecken." Niemand verlasse seine Heimat freiwillig. Migration sei auch ein Menschenrecht; Menschen hätten das Recht, ein besseres Leben zu suchen und aus Verzweiflung herauszukommen, so die Bischöfe.

Appelle an Staat

Die Vereinigung der in Chile lebenden Venezolaner erklärte, die Flüchtlinge hätten sich zu Fuß auf den Weg gemacht, sich der Mafia und der organisierten Kriminalität ausgesetzt, um nach Chile zu gelangen. Der chilenische Staat sei nicht verpflichtet, für ihren Lebensunterhalt aufzukommen, aber er solle ihnen Instrumente an die Hand geben, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Dazu zähle unter anderem ein legaler Aufenthaltsstatus durch einen Personalausweis sowie Zugang zum Arbeitsmarkt.

Wahlkampf in Chile

Chiles Regierung räumte inzwischen Versäumnisse beim Management der Flüchtlingskrise ein. Das Thema ist auch im Wahlkampf angekommen. In wenigen Wochen wird über die Nachfolge des scheidenden konservativen Präsidenten Sebastian Pinera entschieden. Der konservative Präsidentschaftskandidat Sebastian Sichel sagte, das alles geschehe, weil es in Venezuela eine Diktatur gebe. Seinen in Umfragen führenden linksgerichteten Rivalen Gabriel Boric forderte er auf, die Regierung von Venezuelas sozialistischem Präsidenten Nicolas Maduro zu verurteilen.

Venezuela in der Krise

Venezuela leidet seit Jahren unter einer schweren Versorgungs- und Wirtschaftskrise. Wegen der unsicheren politischen Verhältnisse sowie staatlicher Repression haben Millionen Venezolaner ihre Heimat verlassen. Menschenrechtsorganisationen gehen davon aus, dass sich ihre Zahl bis Jahresende auf sieben Millionen erhöhen wird. Die Linksregierung in Caracas weist den Vorwurf von Menschenrechtsverletzungen wie außergerichtliche Hinrichtungen, Folter und Unterdrückung der Opposition als eine politische Kampagne zurück. Für die Versorgungskrise macht sie Sanktionen des Westens verantwortlich.


Quelle:
KNA
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