Im Konflikt um die verordnete Zusammenlegung der evangelisch-lutherischen Innenstadtgemeinden St. Thomas und St. Nikolai in Leipzig hat der sächsische Landesbischof Tobias Bilz (57) einen konstruktiven Streit angemahnt. "Ich wünsche mir, dass wir viel in direkte Kommunikation investieren", sagte Bilz am Montag im traditionellen Friedensgebet in der Nikolaikirche mit Blick auf den Konflikt mit dem Landeskirchenamt in Dresden. "Auf den Friedensstiftern liegt jetzt die Hoffnung", predigte der Bischof, der die Zeichen "im Moment aber auf Sturm" sieht.
Das Landeskirchenamt hat die beiden Leipziger Innenstadtgemeinden aufgefordert, zum Jahreswechsel eine "Strukturverbindung" einzugehen. Deren niedrigste Stufe wäre ein sogenanntes Schwesterkirchverhältnis, mit dem es nur noch ein Pfarramt in St. Thomas geben würde. Dort wären zugleich die Mitarbeiter für beide Kirchgemeinden angestellt.
Vermischung würde Arbeit beider Kirchen schaden
"Wir verlieren damit die Verantwortung für die Verkündigungsstellen", sagte Nikolaipfarrer Bernhard Stief während des Friedensgebets. "Die Nikolaigemeinde würde ihre Eigenständigkeit verlieren", hieß es noch in einer gemeinsamen Pressemitteilung mit der Thomasgemeinde: "Beide Kirchen haben eine über 800-jährige Tradition und sind als Heimatstätte des Thomanerchores beziehungsweise als Ort der friedlichen Revolution weltbekannt. Beides miteinander zu vermischen beziehungsweise organisatorisch zu vereinen, würde der Arbeit beider Kirchen massiv schaden."
"Das eigenständige Profil der beiden Kirchgemeinden gilt es zu erhalten und weiter auszuprägen", sagte der Landesbischof am Montag in seiner Predigt. Was dafür notwendig sei, das werde in den kommenden Wochen gemeinsam beraten: "Ich bin trotz allem sehr zuversichtlich, dass wir dabei gute Lösungen finden werden." Mit Bezug auf die Bibel mahnte er auch zu schauen, was dem anderen diene und Kompromisse zu suchen.
Widerspruch vom Landeskirchenamt abgelehnt
Die beiden Leipziger Innenstadtgemeinden sind gegen die verordnete Verbindung. Ihr Widerspruch wurde vom Landeskirchenamt Anfang Oktober abgelehnt. Unmittelbar darauf machten sie den Konflikt öffentlich und überschatteten damit das Leipziger Lichtfest, das an die friedliche Revolution 1989 und die Rolle der Nikolaikirche erinnert. "Die Friedensgebete haben eine herausragende Rolle gespielt, dass es damals einen Geist des Friedens gab", sagte Landesbischof Tobias Bilz. Er spüre diesen Geist auch heute.
Nikolaipfarrer Bernhard Stief nutzte das Friedensgebet, um zusammen mit Thomaspfarrerin Britta Taddiken den Konflikt mit dem Landeskirchenamt noch einmal chronologisch zu skizzieren. Er betonte, dass auch der Kirchenbezirk für eine Ausnahmeregelung der Innenstadtgemeinden bei der Strukturplanung gestimmt habe. Das Landeskirchenamt habe sich darüber "ohne Begründung hinweggesetzt".
Gespräch mit Landesbischof nach Friedensgebet
"Der juristische Weg ist schon eingeschlagen", so Stief. "Klagen werden folgen", kündigte er an. Nach dem Friedensgebet trafen sich Vertreter der Vorstände beider Kirchgemeinden mit dem Landesbischof zum Gespräch.
Hintergrund für den Konflikt ist eine von der Landessynode Sachsens 2018 beschlossene Strukturreform, wonach alle Gemeinden größere Verbindungen eingehen müssen. So sollen bessere Anstellungsmöglichkeiten für die Mitarbeiter geschaffen und flexibler Stellenanteile eingespart werden können. Die Landeskirche Sachsens will langfristig so auf den anhaltenden Mitgliederrückgang und den damit verbundenen Verlust an Einnahmen aus Kirchensteuern reagieren.