Für Skispringer, Bobfahrer und Biathletinnen steht ein Höhepunkt an - die 24. Olympischen Winterspiele in Peking. Olympia, das heißt normalerweise: jubelnde Fans, Flaggenmeere, Emotionen.
Doch diesmal? Fehlanzeige. Corona dominiert die Spiele. Mit aller Härte versucht Peking, das Risiko zu minimieren. Ausländische Fans werden nicht vor Ort sein. Sportlerinnen und Sportler aus aller Welt reisen knapp vor den Wettkämpfen an und fliegen danach direkt wieder nach Hause, erklärt Snowboarder Martin Nörl der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Alles sei auf den sportlichen Wettkampf ausgerichtet, die olympische Gemeinschaft solle abgeschottet bleiben. Für die Athleten also weder Zeit noch Chance, das Gastgeberland kennenzulernen.
Unsicherheiten rund um Testungen, Quarantänebedingungen und die medizinische Versorgung im Infektionsfall sorgten für Sorgenfalten, berichtet die Sprecherin des Sportlervereins Athleten Deutschland, Julia Hollnagel. Der Sportdirektor des Deutschen Skiverband (DSV) Wolfgang Maier äußerte gar im Interview des Deutschlandfunks Befürchtungen, die Wettkämpfe könnten durch undurchsichtige PCR-Testungen und vermeintlich coronabedingte Ausschlüsse von Athleten manipuliert werden.
Negatives Image belastet die deutschen Sportler
Auch jenseits von Corona löst das Drumherum bei den Spielen kein Feuerwerk der Begeisterung aus: korrupte Organisatoren, keine ökologische Nachhaltigkeit, Menschenrechtsverletzungen. Das negative Image der Spiele geht zulasten der 148 deutschen Sportlerinnen und Sportler, die in Peking antreten. Für diese seien die Spiele "ein Karrierehöhepunkt, für den sie viele Entbehrungen in Kauf genommen haben", betont Hollnagel. Die Vorfreude sei bei vielen getrübt. Es sei bekannt, dass in China systematisch Menschenrechte verletzt würden. Auch im Zusammenhang mit den Spielen sei leider davon auszugehen. Und kein Sportler wolle, dass sein Sport Schaden anrichtet.
Chinas Regierung steht für zahlreiche Menschenrechtsverletzungen in der Kritik: Der autoritäre Staat ist laut Amnesty International für die meisten Hinrichtungen weltweit verantwortlich. Ethnische Minderheiten würden unterdrückt. Human Rights Watch berichtet von systematischer Folter und Zwangsarbeit der Uiguren in Lagern. Demokratiebestrebungen würden unterdrückt, es fehle an Religionsfreiheit und unabhängiger Justiz.
Auch Pressevertreter und Bürgerrechtler sitzen in Haft, das Internet wird zensiert. Auf der Rangliste der Pressefreihheit von "Reporter ohne Grenzen" belegt China den 177. Platz von 180. Auffallend: China-Experten sowie Menschen mit beruflichen oder familiären Verbindungen zu China sind sehr zurückhaltend, diese Themen öffentlich zu kommentieren.
Diskussion um chinesische Menschenrechtspolitik
Die Situation in China hat sich seit den Olympischen Sommerspielen in Peking 2008 verschlechtert. Bereits damals hatte es Diskussionen um die chinesische Menschenrechtspolitik gegeben. Der Kadersportlerverband Athleten Deutschland kritisiert die Vergabe der Spiele nach China: "Jetzt wird von einigen erwartet, dass die Athlet*innen Jahre nach der Vergabe der Spiele die Verantwortung für eine Entscheidung übernehmen, die sie nicht getroffen haben", kritisiert Hollnagel: "Das ist nicht richtig - wir fordern daher rote Linien bei künftigen Vergabeentscheidungen".
Die Kritik richtet sich vor allem an das Internationalen Olympische Komitee (IOC). Dieses komme seiner menschenrechtlichen Verantwortung nicht nach, so Athleten Deutschland. Der Verband fordert daher, Menschenrechtsanalysen bei künftigen Vergabeentscheidungen einzubeziehen. "Es muss Kohärenz zwischen den olympischen Werten und dem Handeln des IOC hergestellt werden", mahnt Hollnagel.
"Durch Sport eine bessere Welt erschaffen" - das schreibt sich das das IOC auf seiner Internetseite als Vision seiner Arbeit auf die Fahnen. Der Begründer der Olympischen Spiele der Neuzeit 1894, Pierre de Coubertin, träumte von einer neuen Weltordnung, die von Frieden, Internationalität und Demokratie geprägt war. Der Anteil der Pekinger Winterspiele daran wird in die Geschichtsbücher wohl eher keinen Einzug finden.