Klage gegen Myanmar vor Internationalem Gerichtshof

Legitimierung durch die Hintertür?

Die Völkermordklage des afrikanischen Gambia gegen die Regierung Myanmars erregte 2019 Aufsehen. Im Februar 2021 war die beklagte Regierung weggeputscht. Jetzt beginnen die Anhörungen in einer komplizierten Situation.

Autor/in:
Sabine Kleyboldt
Myanmar, Mandalay: Ein buddhistischer Mönch (M) benutzt ein Fernglas, während er mit anderen Männern hinter einer Straßenabsperrung hockt / © Uncredited/AP (dpa)
Myanmar, Mandalay: Ein buddhistischer Mönch (M) benutzt ein Fernglas, während er mit anderen Männern hinter einer Straßenabsperrung hockt / © Uncredited/AP ( dpa )

Am Montag beginnen vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag die Anhörungen im Völkermordprozess gegen Myanmar. Das westafrikanische Gambia hatte 2019 im Namen der 57 Staaten der Organisation für Islamische Zusammenarbeit Klage erhoben wegen mutmaßlichen Völkermords an den muslimischen Rohingya.

Internationaler Gerichtshof in Den Haag / © oliverdelahaye (shutterstock)
Internationaler Gerichtshof in Den Haag / © oliverdelahaye ( shutterstock )

In den vier Anhörungen geht es bis 28. Februar um Einwände Myanmars gegen das Verfahren, wie das oberste UN-Gericht mitteilte. Doch Gambias Klage betraf eine Regierung, die am 1. Februar 2021 vom Militär aus dem Amt geputscht wurde. Das macht die Sache ungleich komplizierter.

Verfahren durch die Hintertür

Denn Menschenrechtler und Rohingya-Organisationen warnen nun davor, dass durch das Verfahren eine internationale Anerkennung der Militärjunta durch die Hintertür erfolgen könnte. In dem "legitimen und wichtigen Prozess" werde die zurecht angeklagte Partei nämlich "von einer zutiefst illegitimen Regierung vertreten", mahnte die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Sonntag in Göttingen.

Verbrechen der gestürzten Regierung

Hintergrund: Myanmar

Der in Südostasien gelegene Staat Myanmar ist auch unter seinem älteren Namen Burma beziehungsweise Birma bekannt. Das Land grenzt an Thailand, Laos, China, Indien und Bangladesch. Größte Stadt ist die am Irrawady-Delta gelegene 5-Millionen-Einwohner-Metropole Rangun/Yangon. Regierungssitz ist seit 2005 Naypyidaw im Zentrum des Landes.

Myanmar: Demonstranten halten Portraits von Aung San Suu Kyi hoch / © Daniel Ceng Shou-Yi (dpa)
Myanmar: Demonstranten halten Portraits von Aung San Suu Kyi hoch / © Daniel Ceng Shou-Yi ( dpa )

Es geht um Verbrechen der gestürzten Regierung von Staatsrätin Aung San Suu Kyi, die seit dem Putsch vor einem Jahr in Haft sitzt und sich zahlreichen, auch teils absurden Vorwürfen der Militärjunta gegenüber sieht. Noch Anfang 2020 hatte die Defacto-Regierungschefin das Gericht in Den Haag aufgefordert, die von Gambia vorgebrachte Anklage abzuweisen und die im Dezember 2019 beantragten einstweiligen Maßnahmen aufzuheben.

Anfang Februar nun die Wende: Myanmars UN-Botschafter Kyaw Moe Tun habe das Gericht informiert, dass das Land die Zuständigkeit des Gerichts anerkannt habe und alle Einwände zurückziehe, hieß es von der im Untergrund agierenden "Regierung der Nationalen Einheit" (NUG). Sowohl die Zivilregierung NUG als auch die Junta nehmen für sich das Recht in Anspruch, Myanmar bei der Anhörung zu vertreten.

Bis zur endgültigen Entscheidung

Für die NUG kommt demnach allein UN-Botschafter Kyaw Moe Tun dieses Recht zu. Er war noch von der vormaligen Regierung ernannt worden. Die Vereinten Nationen hatten Ende 2021 entschieden, ihn bis zu einer endgültigen Entscheidung im Amt zu belassen. Auch Rohingya-Organisationen favorisieren den Mann, der den Generälen seit einem Jahr die Stirn biete und sich nicht von dem Posten verdrängen lasse.

Die GfbV zitiert nun Informationen der Nachrichtenagentur Reuters, wonach die Militärjunta ihren Gesandten für internationale Koordination, Ko Ko Hlaing, sowie Myanmars Generalstaatsanwältin Thida Oo ernannt habe, ein achtköpfiges Rechtsteam für die Anhörungen zu leiten. Dies wäre ein Affront gegen die Zivilregierung wie auch gegenüber Rohingya-Vertretern.

Zuständigkeit des höchsten Gerichtes

Bei den Anhörungen am Montag soll nun unter anderem die Zuständigkeit des höchsten Gerichtes der Vereinten Nationen geprüft werden. Bei all den vorgeschalteten institutionellen und personellen Klärungen droht durchaus die Gefahr, dass der Kern des Verfahrens in den Hintergrund gerät.

Protest gegen Militärjunta in Myanmar / © -/AP (dpa)
Protest gegen Militärjunta in Myanmar / © -/AP ( dpa )

Denn es geht um von Myanmar selbst so bezeichnete "Säuberungen" ab Oktober 2016 und nochmals ab August 2017 gegen die Rohingya. Die Anschuldigung lautet, mit Massenmorden, Vergewaltigungen und dem Niederbrennen von Dörfern hätten Militär und Sicherheitskräfte in dem überwiegend buddhistischen Land die muslimische Minderheit zu vernichten versucht. Myanmar habe damit die UN-Völkermordkonvention verletzt, so das Gericht.

Hunderttausende Flüchtlinge

Eine internationale Faktenfindungsmission des UN-Menschenrechtsrates vom September 2018 sprach von - konservativ geschätzt - 10.000 Todesopfern. Hunderttausende Rohingya flohen vor den Gräueltaten, viele ins benachbarte Bangladesch.

Schreckliche Verbrechen der Regierung

"Die schrecklichen Verbrechen der Regierung Myanmars gegen die Rohingya verlangen nach juristischer Klärung. Die Verantwortlichen müssen dringend für ihre Taten belangt werden", appellierte GfbV-Referentin Jasna Causevic mit Blick auf die Anhörungen ab Montag. Zugleich müsse das Gericht vermeiden, der Militär-Junta internationale Legitimität zu verleihen, so die Expertin für Genozid-Prävention und Schutzverantwortung. Praktisch alle Menschen in Myanmar lehnten die Gewaltherrschaft der Generäle entschieden ab, nicht nur Angehörige der zahlreichen Minderheiten.

Quelle:
KNA