DOMRADIO.DE: 2021 gab es ja auch schon keinen Karneval, außer ein bisschen im Internet. Wie war das?
Willibert Pauels (Diakon und Büttenclown, "Ne Bergische Jung"): Ich bin so, wie Goethe - ein berühmter Karnevalist - sagte: Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust. Natürlich muss man vorsichtig sein und verantwortlich, sonst wäre man ja ein "Drecksack". Das heißt, auch im Nachhinein habe ich Verständnis für die rigorosen Einschränkungen des offiziellen Karnevals im vergangenem Jahr. Das ist das erste.
Zweitens, das ist die andere Seele in mir: Ich erinnere mich, als schon mal wegen des Irak-Kriegs der offizielle Karneval ausfiel. Damals haben interessanterweise die Linken, also zum Beispiel führend Jürgen Becker, der "liebenswerte Drecksack", einen alternativen Zug spontan auf die Beine gestellt und haben gesagt, dass sie gerade den "Arschlöchern" mit einem Lachen und einer Lust am Leben begegnen müssen.
Also einerseits Verständnis für einschränkende Regeln aus der Verantwortung heraus, andererseits muss man aufpassen, dass man sich nicht von den Situationen beherrschen lässt, sondern seine Lust am Leben gerade in dunklen Zeiten feiern soll.
DOMRADIO.DE: Das eine ist ja Pandemie, das andere ist jetzt der beginnende Krieg. Heute ist der Auftakt des Straßenkarnevals und gleichzeitig stehen in der Ukraine die Zeichen auf Krieg. In der Nacht hat er offenbar begonnen. Beim Beginn des Irak-Kriegs in den 1990er Jahren fielen die Karnevalszüge aus. Dürfen wir dieses Mal denn auch wieder nicht feiern, oder trotzdem?
Pauels: Da bin ich jetzt eindeutig. Der Karneval lebt ja eben nicht vom organisierten Karneval. Ob man da offiziell den Zug im Rheinenergiestadion noch absagt, darüber sollen sich der Kuckelkorn und alle Offiziellen den Kopf zerbrechen.
Aber bitte, eins kann uns keiner nehmen, das ist die Lust am Leben. Und das heißt, spontan selber die Pappnase aufsetzen. Natürlich verantwortlich, also geboostert und sich den frischen Test holen. Dann kann man schon mal in der Teststation anfangen. Da setzt man sich eine rote Pappnase auf die Schutzmaske, kommt rein und dann sagt man "Alaaf" oder "Helau, ich wollt mich testen lassen", und dann gibt man viel Trinkgeld, weil die ja an so einem Tag Dienst haben.
Schon der Hans Conrad Zander (Journalist und Schriftsteller, Anm. d. Red.) hat so schön gesagt: Gebt viel Trinkgeld und ihr werdet glücklich sein wie Gott. Also, da gibt man Trinkgeld und dann unter Voraussetzung all der Sicherheits- und Vorsichtsmaßnahmen feiern. Also nochmal, eins kann uns keiner nehmen, das ist die Lust am Leben. Und Karneval feiern, ist ein Ausdruck der Lebenslust.
DOMRADIO.DE: Wie wäre es denn, wenn dieser abgespeckte Rosenmontagszug im Rheinenergiestadion trotz der Widrigkeiten stattfindet?
Pauels: Ich sage immer, man muss aus allem das Beste machen und immer noch besser als einen Karnevalszug im Mai zu feiern. Ich komme jetzt nicht auf die Stadt, die das macht, da komme ich jetzt gerade nicht drauf.
DOMRADIO.DE: Beginnt mit einem "D" und hört mit einem "üsseldorf" wieder auf.
Pauels: Ja, ja. Helau nach Düsseldorf. Meine besten Freunde wohnen in Düsseldorf, damit da jetzt kein Missverständnis entsteht. Also, immerhin noch besser, als den Karneval einfach in den Sommer zu verschieben, ist, dass man ihn dann in klein macht. Das fand ich nicht schlecht, auf die Idee zu kommen, die Wagen im Rheinenergiestadion herumfahren zu lassen. Das fand ich nicht schlecht.
Aber jetzt liegt alles in Gottes Hand und leider auch in der Hand des Diktators aus Russland.
Das Interview führte Tobias Fricke.