DOMRADIO.DE: Sie kennen die Ukraine aus eigener Anschauung, Sie waren zuletzt 2019 da. Wenn wir jetzt den Krieg erst einmal ausklammern, wie haben junge Leute da vorher gelebt? Kann man das mit der Situation unserer deutschen Jugendlichen vergleichen?
Elisabeth Lüdeking (Referentin für internationale Jugendarbeit beim BDKJ): Jugendliche in der Ukraine haben oft die gleichen Sorgen, Wünsche und Träume wie auch junge Menschen in Deutschland. Natürlich sind die Lebensumstände anders, aber es gibt viele Gemeinsamkeiten. Umso erschreckender ist es – man kann sich sehr gut hineinversetzen – jetzt zu sehen, welche Zustände im Land herrschen und wie junge Menschen von der Aggression betroffen sind.
DOMRADIO.DE: Seit Donnerstag ist Krieg im ganzen Land. Kinder und Jugendliche leiden am meisten, heißt es immer. Was wissen Sie darüber, wie es speziell den Kindern und Jugendlichen in den umkämpften Städten und Gebieten gerade geht? Oder wie stellen Sie sich das vor?
Lüdeking: Es ist sehr schwer, sich das vorzustellen, sich da hineinzuversetzen. Wir haben unsere Partnerorganisationen direkt angefragt, wie es ihnen geht. In den wenigen Nachrichten, die wir bekommen haben, schwingt sehr starke Sorge mit. Die Personen sind zum Teil schlecht erreichbar, wir machen uns da selbst große Sorgen.
Es gibt dort Jugendverbände und sehr viele engagierte junge Leute in der Ukraine, die zivilgesellschaftlich unterwegs sind und ihr Land für junge Menschen positiv mitgestalten wollen. Die haben direkt einen Aufruf gestartet, zu helfen und nicht einfach nur zuzusehen. Insofern ist da auch ein Aufschrei der jungen Menschen in der Ukraine zu hören.
DOMRADIO.DE: Der Krieg überdeckt alles andere. Aber natürlich hatte die Ukraine vorher auch mit der Pandemie zu tun und da haben Sie mit den Jugendlichen vor Ort Erfahrungen gesammelt.
Lüdeking: Wir haben vor allem in den vergangenen zwei Jahren engen Kontakt zu Jugendorganisationen gehabt und gemeinsame digitale Projekte durchgeführt. Die waren vor allem zum Thema Erinnerungsarbeit, aber da schwang auch die Pandemie mit. Wir haben zum Beispiel einen Digital Storytelling Workshop gemacht, bei dem es auch um die Erinnerung ging und die Frage: Wie werden wir die jetzige Zeit und die Pandemiezeit zurückerinnern? Es war ein Austausch, der sehr spannend war. Und da kann ich auch wieder nur sagen, dass es den jungen Menschen in der Ukraine oft auch ähnlich ging wie uns.
Und wir haben uns beim Projekt zur Erinnerungsarbeit die NS-Zeit gemeinsam angeschaut, das ist jetzt ja über 70 Jahre her. Ich glaube, diese Aufarbeitung von so schlimmen Geschehnissen, die kann nicht immer sofort passieren. Und bis wir da überhaupt erst mal wieder in die Zusammenarbeit gehen können – das ist sehr ungewiss derzeit.
DOMRADIO.DE: Was machen Sie als BDKJ in der aktuellen Situation?
Lüdeking: Wir haben zunächst einen Aufruf gestartet, auch an den Anti-Kriegs-Demonstrationen hier in Deutschland teilzunehmen und zum Gebet für die Menschen in der Ukraine aufgerufen. Derzeit überlegen wir uns, wie wir konkret helfen können und fragen unsere Partner an, was sie brauchen und was wir tun können, damit wir hier eine Sammlung oder andere Hilfen koordinieren können.
Das Interview führte Hilde Regeniter.