Bischof Overbeck begrüßt Umdenken der Verteidigungspolitik

"Ganz neue Konstellationen"

100 Milliarden für die Bundeswehr und Diskussionen über eine neue Wehrpflicht. Der deutsche Militärbischof Franz-Josef Overbeck findet die Reaktionen auf den Ukraine-Krieg angemessen, versteht aber auch Ängste.

Militärbischof Franz-Josef Overbeck im Gespräch (Archiv) / © Dana Kim Hansen (KNA)
Militärbischof Franz-Josef Overbeck im Gespräch (Archiv) / © Dana Kim Hansen ( KNA )

DOMRADIO.DE: Sie sind der erste Mann im katholischen Militärbischofsamt. Wie hat sich durch den Krieg in der Ukraine die Perspektive bei Ihnen verändert?

Franz-Josef Overbeck (Bischof von Essen und deutscher Militärbischof): Wir haben wirklich realistisch Krieg in Europa. Für die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr ist das eine neue Herausforderung angesichts ihrer Bündnisverpflichtungen in der NATO. Denn sollten die Truppen Russlands, die auf eine solche Weise die Ukraine angreifend in den Westen der Ukraine marschieren, werden sie eben die Grenze zu NATO-Gebieten erreichen. Und damit ergeben sich ganz neue Konstellationen und die beschäftigen viele, so auch mich.

DOMRADIO.DE: Wie stellt sich die Seelsorge darauf ein? Wie stellt sie sich um?

Overbeck: Für uns ist ganz klar: Wo die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr sind, da sind wir als Militärseelsorge. Das gilt katholisch, das gilt evangelisch, aber auch jüdisch. Und es wird bedeuten, je nach Entwicklung, dass sie dort hingehen, wo die Soldatinnen und Soldaten sind. Jetzt sind sie auf dem Gebiet der NATO und wir sind dort bei ihnen.

DOMRADIO.DE: Bundeskanzler Scholz hat für seine Regierung 100 Milliarden angekündigt, die in die Bundeswehr investiert werden sollen. Wie beurteilen Sie diesen Schritt?

Overbeck: Das ist ein wichtiger Schritt nach vorne. Der bedeutet, die Bundeswehr kann anders ausgestattet werden, auch die Soldatinnen und Soldaten. Und vor allen Dingen kann den Bündnisverpflichtungen anders nachgekommen werden, als es bisher der Fall war.

DOMRADIO.DE: Die Kritiker sagen: Damit kommen wir wieder zurück in eine Zeit des Kalten Krieges. Es ist wieder eine neue Spirale der Gewalt.

Overbeck: Es ist angesagt, dass wir realistisch sind und realistisch heißt, sich einer sehr aktiven Bedrohung mit unendlich schwierigen, komplexen Folgen realisierend gegenüberzustellen. Und das heißt, es ist die richtige Entscheidung, so zu agieren.

DOMRADIO.DE: Was ist mit der christlichen Friedensethik? Ist sie nicht besonders jetzt auch noch mal herausgefordert? Muss sie neu definiert werden?

Overbeck: Die christliche Friedensethik ist immer eine Provokation und bedeutet der Friede soll immer erst mit friedlichen Mitteln wiedergewonnen werden. Nun ist es zu Auseinandersetzungen gekommen. Aber es gibt Grenzen und von denen wissen wir. Da muss eine Gewalt her, die der anderen Gewalt gegenüber zeigt: Hier muss Schluss sein.

DOMRADIO.DE: Der Normalsterbliche sieht jetzt einen Kirchenmann, den Moskauer Patriarchen Kyrill I., der letztendlich auch sagt: Das ist ein Kampf gegen das Böse. Sie sind ein Kirchenmann, der jetzt quasi auf der anderen Seite steht. Wie kommen wir damit zurecht?

Overbeck: Ich halte viel von Papst Franziskus und seiner sehr deutlichen Position dazu. Ich halte viel von der Positionierung des Patriarchen von Konstantinopel und das ist der Weg, den wir gehen sollen.

DOMRADIO.DE: Der BDKJ und andere kritisieren, dass nun wieder eine allgemeine Wehrpflicht im Gespräch ist. Das sei nicht der richtige Weg und man müsse auf Freiwilligkeit und soziale Dienste setzen.

Overbeck: Es ist zu fragen, ob wir einen Dienst in Deutschland einrichten, der für alle jungen Menschen gilt, Männer wie Frauen. Für die Bundeswehr ist bedeutsam, dass sie hochkomplexe Aufgaben mit hoch kompetenten Funktionen erfüllen muss. Und dafür brauchen wir entsprechendes Personal. Und darüber muss entschieden werden. Und dann können die anderen Fragen in den Blick kommen.

DOMRADIO.DE: Also eher die Fachleute.

Overbeck: Eher die Fachleute als andere.

Das Interview führte Ingo Brüggenjürgen.

Frühjahrs-Vollversammlung 2022 in Vierzehnheiligen

Vom 7. bis 10. März 2022 findet in den Bildungs- und Tagungshäusern Vierzehnheiligen (Erzbistum Bamberg) die Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz statt. An ihr nehmen 66 Mitglieder der Deutschen Bischofskonferenz unter Leitung des Vorsitzenden, Bischof Dr. Georg Bätzing, teil.

Luftaufnahme der Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen in Bad Staffelstein (KNA)
Luftaufnahme der Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen in Bad Staffelstein / ( KNA )
Quelle:
DR
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