Patriarch Rai übt Kritik an Präsident Aoun und Hisbollah

Neutrales Libanon gefordert

Kurz vor der Parlamentswahl am Sonntag im Libanon hat der maronitische Patriarch Kardinal Bechara Rai Kritik an Präsident Michel Aoun sowie der schiitischen Hisbollah geübt. Aouns Wahl sei undemokratisch und verfassungswidrig gewesen.

Libanon, Beirut: Verschiedene Wahlplakate im Vorfeld der Parlamentswahlen am 15. Mai / © Marwan Naamani (dpa)
Libanon, Beirut: Verschiedene Wahlplakate im Vorfeld der Parlamentswahlen am 15. Mai / © Marwan Naamani ( dpa )

General Aoun sei dem Volk in seiner Wahl zum Präsidenten 2016 praktisch "aufgezwungen" worden, sagte er laut Bericht der Zeitung "L'Orient le Jour" (Donnerstag) in einem Interview des staatlichen Senders "Tele Liban". "Die Republik hat angehalten, um ihn zu wählen, was undemokratisch, illegal und verfassungswidrig ist", so der Kardinal.

Kardinal Bechara Boutros Rai, Maronitischer Patriarch von Antiochien und des ganzen Orients / © Cristian Gennari (KNA)
Kardinal Bechara Boutros Rai, Maronitischer Patriarch von Antiochien und des ganzen Orients / © Cristian Gennari ( KNA )

Republik wurde blockiert 

Aoun war 2016 nach zwei Jahren Vakanz ins Präsidentenamt gewählt worden. Rai kritisierte das Prozedere der damaligen Wahl. Es müssten mindestens zwei Kandidaten zur Wahl vorgeschlagen werden. Man habe die Republik blockiert, "um soundso zu wählen", so Rai.

Zugleich kritisierte er den Anspruch des aounistischen Lagers als verfassungswidrig, dass der Führer der mitgliederstärksten christlichen Parlamentsfraktion zum Präsidenten der Republik gewählt werde.

Hintergrund: Libanon

Das Land am Mittelmeer steckt in der schlimmsten Wirtschaftskrise seiner Geschichte. Drei Viertel aller Einwohner leben mittlerweile unter der Armutsgrenze. Wegen Treibstoffmangels haben viele Haushalte kaum noch Strom und im Land fehlt es an lebenswichtigen Medikamenten.

Seit der Explosionskatastrophe im Hafen von Beirut im August 2020 ist die Regierung weitestgehend gelähmt. Viele Libanesen werfen der politischen Elite Korruption vor.

Wirtschaftskrise im Libanon spitzt sich zu / © Richard Juilliart (shutterstock)
Wirtschaftskrise im Libanon spitzt sich zu / © Richard Juilliart ( shutterstock )

"In Freiheit und Gewissen" wählen

Der Ausgang der bevorstehenden Parlamentswahlen habe auch Auswirkungen auf die Neuwahl eines Präsidenten im Oktober, da das Staatsoberhaupt von den Abgeordneten gewählt werde, so der Kardinal laut Bericht.

Erneut mahnte er die Libanesen, "in Freiheit, Gewissen und aus eigener Entscheidung zu wählen", ohne sich äußerem Druck aussetzen zu lassen. Wenn die Wähler wie Schafe wählen, wird es keine Veränderung geben", warnte er.

Staat dürfe nicht zwei Mächte haben

Kritik übte Rai auch an der Hisbollah, dem schiitischen Verbündeten Aouns, sowie deren Waffen. Ein Staat dürfe nicht zwei Mächte und zwei Armeen haben. Durch die "Präsenz einer ihm angegliederten Miliz, der Hisbollah", habe der Iran als Pate der schiitischen Partei die Souveränität des Landes verletzt.

Das Oberhaupt der maronitischen Kirche erneuerte in diesem Zusammenhang seine Forderungen nach einem neutralen Libanon und der Einhaltung der verschiedenen internationalen Resolutionen, die die Entwaffnung der Hisbollah vorsehen.

Quelle:
KNA