DOMRADIO.DE: Gläubige in der katholischen Kirche haben es im Moment nicht so leicht. Ihr Kreis verkleinert sich, weil viele Mitglieder austreten, es häufen sich auch Skandale um einzelne Geistliche, um den Umgang mit Finanzen und mit Macht. Gleichzeitig wollen Frauen mehr Teilhabe, beißen dabei aber auf Granit. Mit diesen Themen setzt sich auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken ZdK ab heute auseinander. Die katholischen Laien kommen bis morgen zu ihrer Vollversammlung in Stuttgart zusammen. Wie ist denn die Stimmung im Moment unter Ihren Mitgliedern?
Marc Frings (Generalsekretär des ZdK): Die Stimmung innerhalb des ZdK repräsentiert vermutlich insgesamt sehr gut die Stimmung auch innerhalb des katholischen Lebens in Deutschland. Wir sind in einer massiven Krise, vielleicht der schlimmsten überhaupt. Aber wir dürfen in dieser Ambivalenz, in der wir uns auch als Laien befinden, nicht defätistisch verhalten.
Deshalb, und ich glaube auch das gehört zur Stimmung, bieten wir mit der Tagesordnung, mit den Themen der nächsten beiden Tage ein gutes Stimmungsbild für das, was wir bewirken wollen. Wir beschäftigen uns heute und morgen mit Corona und jungen Menschen, mit dem Lieferkettengesetz, mit Missbrauch, mit dem Synodalen Weg. Das heißt, wir schauen nicht nur auf die Welt draußen, auf die politischen Veränderungen, die wir mitgestalten wollen, sondern eben auch auf die Krise und wie wir aus dieser Krise herauskommen. Da lautet die Antwort methodisch Synodaler Weg.
DOMRADIO.DE: Der wird ja schon länger beschritten. Wie zufrieden sind Sie bislang mit den Ergebnissen, die da zusammengekommen sind?
Frings: Wir haben jetzt ungefähr Halbzeit. Ein Jahr steht noch bevor. Es ist erst mal sehr wichtig, dass wir auf dieser Vollversammlung über den Stand diskutieren werden, intern wie extern. Wir haben auch Stimmen aus Brasilien, aus Tschechien, aus Schweden und einen Jesuiten aus Amerika zugeschaltet, der uns seine Perspektive mitgeben wird. Wir schauen auf die Synodalität in ihrer Langfristigkeit.
Wir evaluieren beständig und ich glaube, dass wir da auf einem sehr guten Weg sind. Erste Beschlüsse liegen vor, weitere werden folgen. Aber es ist auch wichtig, den Katholikentag und die Vollversammlung zu nutzen, um Feedback einzuholen. Denn ich glaube, das ist ein großes Manko. Aufgrund der Pandemie war es nicht so leicht, in den Kontakt zu kommen mit den vielen Gläubigen, die diesen Synodalen Weg begleiten, beobachten. Aber wir sind natürlich darauf angewiesen als Synodale, das sind ja 230, die da in Frankfurt zweimal jährlich zusammenkommen, auch diese Stimmungsbilder mit hineinzunehmen.
Viele Veranstaltungen konnten in den letzten beiden Jahren nicht stattfinden. Der Katholikentag wird dafür ein wichtiger Ort sein, aber eben auch die Vollversammlung, um mit jenen ZdK-Mitgliedern ins Gespräch zu kommen, die nicht auch in der Synodalversammlung sitzen.
DOMRADIO.DE: Es gibt kritische Stimmen, die sagen, bestimmte Reformen in der katholischen Kirche wird es gar nicht geben können, weil sie mit dem Selbstverständnis der Kirche nicht vereinbar sind. Haben Sie noch Hoffnung, dass zum Beispiel der Zugang von Frauen zum Weiheamt irgendwann funktionieren wird?
Frings: Absolut. Wir haben das Gespräch mit der großen Krise begonnen und wir können in dieser Krise jetzt nicht allein kirchenrechtlich argumentieren. Natürlich kenne ich die Kritiker und die kritischen Argumente, die sagen, so etwas wie ein Synodalen Weg sieht das Kirchenrecht einfach nicht vor.
Aber eine viel wichtigere Dimension und eine viel wichtigere Perspektive will ich hier ins Wort bringen und das ist die moralische Verantwortung. Deswegen ist es so wichtig, dass wir die systemischen Ursachen dieser Krise und insbesondere dieses Missbrauchsskandals jetzt beherzt angehen, unabhängig von der Frage, was jetzt die Rechtsverantwortung ist. Natürlich müssen wir hinterher ins Umsetzen kommen. Aber da denke ich auch, dass viel mehr möglich ist. Das wissen wir seit der Würzburger Synode.
Das ist natürlich auch eine bittere Bilanz, dass wir auch 50 Jahre später viele der damaligen Forderungen wiederholen müssen. Aber ich glaube, dass der Druck heute ein anderer ist, ein öffentlicher, aber eben auch ein binnenkirchlicher Druck. Die Frauen fordern vieles, aber ich glaube, es sind nicht nur die Frauen. Es ist eine gesamtkatholische Verantwortung, dass diese Veränderungen, dass Repräsentanz, dass Machtteilung Wirklichkeit werden. Deswegen gibt es gar keine Alternative zu dieser Hoffnung, die es braucht für diesen Synodalen Weg.
DOMRADIO.DE: Sie haben die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt durch Geistliche angesprochen. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, sieht da eine positive Entwicklung sagt, da sei viel passiert. Sehen Sie das auch so?
Frings: Es ist unverändert das wichtigste Thema innerhalb des Binnenkirchenraums. Aber ich wünsche mir noch deutlicher einen Perspektivwechsel. Denn viele, und Bischof Bätzing gehört garantiert nicht dazu, erwecken immer noch den Eindruck, dass es bei der Aufarbeitung um eine Rettung oder um einen Schutz der Institution Kirche geht. Dabei gilt es doch eigentlich und viel mehr den Menschen in den Blick zu nehmen. Hier braucht es Empathie, aber eben auch ein entschlossenes Handeln.
Ich erlebe in der Tat, so wie es auch Georg Bätzing beschreibt, dass in der Kirche einiges passiert ist, aber noch mehr ist erforderlich. Auch das ZdK ist hier mit in der Verantwortung, um deutlich zu markieren, wo auch Laien Verantwortung getragen haben. Aber ich wünsche mir auch, dass das Gesamtthema breiter diskutiert wird, dass es nicht nur ein Thema der Kirche ist, sondern dass es auch im politischen und zivilgesellschaftlichen Raum viel mehr Öffentlichkeit erzeugt.
Deswegen bin ich auch froh, dass wir morgen auf der Vollversammlung Kerstin Klaus begrüßen können. Sie ist die neue unabhängige Beauftragte der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs. Sie wird mit uns ihre Prioritäten diskutieren und ich bin sehr zuversichtlich, dass wir da eine vertrauensvolle Zusammenarbeit fortsetzen können, die wir schon mit Herrn Rörig hatten. Ich glaube, es gelingt nur, wenn wir auch die Politik und auch das Parlament mit in die Verantwortung nehmen, dass es gesetzliche Leitplanken gibt, damit deutlich wird: Missbrauch ist etwas Gesamtgesellschaftliches.
DOMRADIO.DE: Morgen beginnt der Deutsche Katholikentag in Stuttgart. Sind Sie zufrieden mit der Zahl der Anmeldungen?
Frings: Ich denke, dass wir auf eine beeindruckende Teilnehmerzahl blicken können. Eine solche Großveranstaltung nach zwei Jahren Corona ist natürlich ein Wagnis. Aber ich sehe auch, dass viele Menschen ein Bedürfnis haben nach einer öffentlichen Debattenkultur, die massiv gelitten hat. Menschen haben auch das Bedürfnis nach spirituellen Momenten in der Gemeinschaft, denn vieles fand in den letzten zwei, zweieinhalb Jahren eben nur privat statt. Also auch hier gilt es, Öffentlichkeit zu erzeugen.
Und wir kommen mit 1.500 wirklich spannenden Veranstaltungen. Deswegen glaube ich schon, dass es erst mal wichtig ist, dass wir das analog durchführen. Wir rechnen mit 20.000 bis 30.000 Teilnehmenden, die natürlich jetzt nicht im Vergleich zu vorherigen Katholikentagen zu bewerten sind, sondern vor allem im Abgleich dazu, dass eben in den letzten zwei Jahren gar keine Großveranstaltungen dieser Art stattfanden. Ich glaube, bei aller Ernsthaftigkeit, mit der wir auf die Welt blicken werden, siehe Ukraine, siehe die Folgen von Corona, haben es alle auch verdient, einen Moment durchzuatmen und auch dieses Gemeinschaftsgefühl bis Sonntag zu genießen.
DOMRADIO.DE: Aber so richtig zufrieden sind Sie nicht mit den Anmeldezahlen, oder?
Frings: Ich glaube, es ist toll, dass wir jetzt trotz aller Widerstände mit Unterstützung der Diözese hier diese Großveranstaltung hinbekommen. Ich bin zuversichtlich. Ich bin seit Sonntag in der Stadt. Man sieht die Werbung überall. Man sieht immer mehr Leute, die ganz eindeutig mit Katholikentags-Programmheften unterwegs sind. So langsam verwandelt sich die Stadt in den zentralen Hotspot des katholischen öffentlichen Lebens. Das stimmt mich jetzt gerade sehr zuversichtlich.
Das Interview führte Tobias Fricke.