DOMRADIO.DE: Das EU-Parlament hat beschlossen, den CO2-Emissionshandel zu verschärfen. Die Maßnahmen müssen noch mit den Ländern abgestimmt werden. Wie beurteilen Sie als Referent für Umwelt und Nachhaltigkeit bei der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft (COMECE) die Entscheidung im EU-Parlament?
Michael Kuhn (Referent für Umwelt und Nachhaltigkeit bei der COMECE): Der CO2-Emissionshandel ist Teil des Programms "Fit For 55". Das Problem ist, dass sich das Parlament in den vergangenen Monaten wesentlich ehrgeizigere Ziele gesetzt hat, als die Mitgliedsstaaten bereit sind umzusetzen, und die auf der anderen Seite die Europäische Kommission gerne realisiert hätte.
Es war eine Ironie der Geschichte, dass das Parlament sich zuerst einmal nicht darauf einigen konnte. Ich denke, besonders wichtig war, dass man aber eingesehen hat, dass das politisch nicht tragbar ist: Auf der einen Seite schärfere Ziele formulieren und auf der anderen wegen politischer Uneinigkeit zwischen verschiedenen politischen Gruppierungen das nicht zustande bringen. In dem Sinn ist das Abstimmungsergebnis vom Mittwoch besonders wichtig und bedeutsam.
DOMRADIO.DE: Dennoch gibt es Kritik, dass es nicht weit genug geht. Was muss noch passieren?
Kuhn: Nachjustieren kann man immer. Das Abstimmungsergebnis war in dieser derzeitigen Situation das maximal Erreichbare. Es stimmt natürlich, die Ziele müssen ehrgeiziger sein, das wissen wir alle. Ich habe die Hoffnung und das Vertrauen, dass in den kommenden Monaten nachjustiert wird, weil es ja kein abschließendes Ergebnis ist. Ich hoffe, dass sich im Parlament die Einsicht durchsetzt, dass das notwendig sein wird.
DOMRADIO.DE: Kritisiert wurde beim Scheitern der Pläne der EU-Kommission für einen schärferen CO2-Handel im EU-Parlament Anfang Juni, dass die EVP-Fraktion, zu der der EU-Abgeordnete Peter Liese (CDU) gehört, diese Pläne verwässert habe. Die Pläne seien zu hart für die Industrie und könnten Arbeitsplätze kosten. Mit dem nun abgestimmten Kompromiss zeigt sich auch Liese zufrieden: Der Kompromiss sei eine gute Balance zwischen dem Schutz des Klimas und dem Schutz von Arbeitsplätzen. Kann man Klimaschutz gegen Arbeitsplätze so gegeneinander ausspielen?
Kuhn: Das kann man nicht gegeneinander ausspielen. Was hilft es mir, wenn ich die Arbeitsplätze auf der einen Seite schütze und auf der anderen Seite das planetare Fundament unter den Füßen weg grabe? Das heißt, es ist ganz klar, dass es im Zusammenhang mit all den Maßnahmen, die zum Klimaschutz gesetzt werden, es auch zu einem Wandel bei der Art und Weise, wie wir produzieren und konsumieren kommen muss. Gerade deshalb, denke ich, ist dieses Argument nicht stichhaltig. Es bedarf einfach mehr Fantasie, wie wir neue Arbeitsplätze schaffen für Produkte, die auch klimagerecht sind.
DOMRADIO.DE: Bald wird auch über die Taxonomie im Parlament abgestimmt. Die Kirchen versuchen ja, Stimmen zu gewinnen, die noch fehlen, um entsprechende Mehrheiten zu haben. Warum setzen sich die Kirchen da so ein an der Stelle?
Kuhn: Weil wir sehen, dass es hier um zwei große Probleme geht: Erstens sehen wir, dass hier zwei Produkte in den Bereich der grünen Energie kommen sollen, die so gar nicht hineinpassen. Zweitens, weil wir große Bedenken haben im Hinblick auf den demokratiepolitischen Vorgang, weil hier sowohl der Konsultationsprozess als auch das Europäische Parlament ausgeschaltet wurden. Wir halten das demokratiepolitisch für bedenklich, wenn hier aus dem eindeutigen Interesse von zwei Mitgliedstaaten plötzlich Dinge in die Taxonomie hineingenommen werden sollen, die den Kriterien, die dafür aufgestellt wurden, nicht entsprechen. Ich denke, dass das eine große demokratiepolitische Gefahr darstellt.
Das Interview führte Hannah Krewer.