DOMRADIO.DE: Sie haben in Düsseldorf zusammen mit dem Kirchenkreis Jülich eine neue Kampagne ins Leben gerufen: "Kirchenaustritt? Überleg nochmal". Worum geht es da?
Heinrich Fucks (Superintendent des Düsseldorfer Kirchenkreises): Die Sache hat im September 2021 in Jülich begonnen. Wir in Düsseldorf sind seit November dabei. Der Kirchenkreis in Jülich hat analysiert, was passiert, wenn ich bei Google "Kirchenaustritt" eingebe, und dann festgestellt, dass eine ganze Reihe Seiten über Werbung angeboten werden, die einem sehr genau erklären, wie man aus der Kirche austritt und auch dazu ermutigen. Da sind wir – katholisch wie evangelisch – bei diesen Seiten nicht dabei.
Deshalb war unsere Idee: Wir wollen dort gelistet sein, um die Menschen zu erreichen, die noch überlegen. Diejenigen, die tatsächlich austreten wollen und mit uns nichts mehr am Hut haben, die werden und wollen wir auch nicht erreichen. Aber es gibt die Zögerlichen, die Zaudernden, die das gerne anklicken und sich informieren lassen. Für jene haben wir diese Internet-Kampagne auf die Beine gestellt.
DOMRADIO.DE: Man findet auf www.evangelischfürdich.de Erklär-Videos, zum Beispiel zu der Frage, wofür die Kirchensteuer verwendet wird. Sind das alles Videos, die Argumente liefern in der Kirche zu bleiben oder sollen sie ausschließlich aufklären?
Fucks: Das Wesentliche ist Aufklärungsarbeit zu leisten. Die Videos, Blogbeiträge und Social Media-Beiträge sind alle entlang der Leute konzipiert, die im Internet unterwegs sind. Wir wurden bei der Pressekonferenz gefragt: Wieso habt ihr kein Video zum Gebet? Ganz einfach: Danach wird nicht gefragt. Wonach gefragt wird, ist aber soziale Relevanz oder Zugehörigkeitsgefühl. Das kann man in den Rankings abrufen. Genau diese Fragen können und wollen wir mit den Videos beantworten und Informationen zur Verfügung stellen.
DOMRADIO.DE: In den Filmen kommen auch Menschen zu Wort, die von ihren persönlichen Erfahrungen mit der evangelischen Kirche berichten. Zum Beispiel erzählt eine Frau, die nach vielen Jahren wieder eingetreten ist: "Durch die Pandemie habe ich schätzen gelernt, wie wertvoll eine Gemeinschaft ist: eine ganz offene Gemeinschaft, wo ich sein darf, wie ich bin." Inwiefern können solche Beiträge Menschen zum Nachdenken bringen?
Fucks: Diese Frau berichtet von Erfahrungen, die sie in den letzten Monaten bei uns gesammelt hat. Ich glaube, dass solche Erfahrungen Menschen ansprechen - viel mehr als wenn Professionelle wie Pfarrerinnen und Pfarrer da zu Wort kommen, weil die noch mal eine ganz andere Tonalität und Glaubwürdigkeit haben.
DOMRADIO.DE: Müssten wir als Kirche, als Gemeinden, unabhängig von der Konfession, grundsätzlich viel mehr tun, um Menschen zum Bleiben zu bewegen?
Fucks: Ich finde, wir üben da weitgehend vornehme Zurückhaltung. Ich möchte dieses Feld nicht denen überlassen, die Menschen von der Kirche abwerben wollen. Es gibt Personen, die das aus guten Gründen sehr energisch tun. Die sollen das machen. Aber wir haben auch eine Verantwortung, mit jenen in den Dialog zu gehen, die noch Fragen haben. Und auf diese Weise versuchen wir das hier in Jülich und in Düsseldorf.
Das Interview führte Michelle Olion.