Kapitelsamt im Kölner Dom

Zweiundzwanzigster Sonntag im Jahreskreis

Gott wird gerne als großer Zeigefinger aufgerichtet, wenn es um Ermahnungen geht. Gott sieht alles und merkt alles. "So aber zerbricht die Liebe zu Gott", sagt Domkapitular Radermacher in seiner Predigt im Kölner Dom.

Die Westtürme des Kölner Domes (DR)
Die Westtürme des Kölner Domes / ( DR )

Er spielt damit auf die Lesung aus dem Hebräerbrief an. Hier ist nicht von einem erbarmungslosen Gott die Rede, der geheimnisvoll hinter dunklen Wolken wohnt und der unberechenbar wie der Sturm ist. Gleich zu Beginn des Briefs werde bereits darauf verwiesen, dass Gott auf vielerlei Weise durch die Propheten zu uns gesprochen habe, jetzt aber durch seinen Sohn.

"Mit Jesus Christus schlägt Gott den geheimnisvollen Vorhang zurück", ergänzt Radermacher. "Wenn Gott so für uns ist, dann können wir wirklich eine festliche Versammlung sein." "Wir haben den Gott Jesu Christi bitter nötig", führt der Domkapitular weiter aus. Denn überall, wo wir diesen Gott erscheinen lassen, wird seine Verheißung nötiger, nötiger für die Menschlichkeit.

Übertragung

DOMRADIO.DE übertrug das Kapitelsamt aus dem Kölner Dom mit Domkapitular Hans-Josef Radermacher. Die musikalische Gestaltung lag beim Vokalensemble Kölner Dom unter der Leitung von Helena Wery. An der Orgel: Ulrich Brüggemann.

Das Vokalensemble Kölner Dom sang u. a. die Missa "O quam gloriosum" von Tomàs Luis de Victoria und die achtstimmige Motette "Jubilate Deo" von Giovanni Gabrieli. Dazu kommen zeitgenössische Werke von Ola Gjeilo und Eberhard Metternich.

Zum Sonntagsevangelium

"… wenn du eingeladen bist, geh hin und nimm den untersten Platz ein, …" (Lk 14,10)

Auslegung zum Sonntagsevangelium (Lk 14,1.7-14) von Hans Urs von Balthasar

"Auf den untersten Platz." Man könnte sagen, das Evangelium handle von der Demut. Bloß ist es schwierig, die Demut als Tugend zu definieren. Man kann sie nicht eigentlich anstreben, sonst will man etwas sein; kann sie nicht einüben, sonst will man etwas erreichen. Niemand, der sie hat, kann es wissen oder feststellen.

Man kann bloß negativ sagen: der Mensch soll nichts für sich selber anstreben. Dann setzt er sich von selbst nicht an den vornehmen Platz, wo man gesehen, beachtet, hoch eingeschätzt wird; noch soll er berechnen, wen er zum Essen einladen soll, damit er wieder eingeladen werde. Wenn er sich unten hinsetzt, so nicht, um als demütig eingeschätzt zu werden, und wenn man ihn bittet, weiter hinaufzurücken, so freut ihn das nicht seinetwegen, sondern weil er das Wohlwollen des Gastgebers sieht. Er schätzt sich selber überhaupt nicht ein, weil er kein Interesse an dem Rang hat, den er unter den Menschen einnimmt.

Und wenn ihm vom Herrn gesagt wird, seine Haltung werde ihm „bei der Auferstehung der Gerechten vergolten werden“, so wird er das vermutlich nicht anders verstehen, als dass man ihm verspricht, er werde bei Gott sein. Denn nur das beschäftigt ihn: dass Gott so unendlich über ihm steht: an Güte und Macht und Majestät.

Aus: Magnificat. Das Stundenbuch. August 2022