Kuratoren der documenta bezeichnen Atmosphäre als vergiftet

"Schuldig" gesprochen

Das Kollektiv Ruangrupa, das die "documenta fiveteen" kuratiert hat, wehrt sich in einem Interview gegen den Vorwurf des Antisemitismus und klagt über ein vergiftetes Klima. Außerdem fühlten sich die Künstler nicht willkommen.

Besucher stehen im Hallenbad-Ost, in dem das indonesischen Künstlerkollektiv Taring Padi ausstellt. Ein Großbanner des Kollektivs wurde nach öffentlicher Kritik wegen antisemitischer Bildsprache entfernt. Gegen das kuratierende Kollektiv Ruangrupa hatte es seit Monaten Antisemitismus-Vorwürfe gegeben. / © Uwe Zucchi (dpa)
Besucher stehen im Hallenbad-Ost, in dem das indonesischen Künstlerkollektiv Taring Padi ausstellt. Ein Großbanner des Kollektivs wurde nach öffentlicher Kritik wegen antisemitischer Bildsprache entfernt. Gegen das kuratierende Kollektiv Ruangrupa hatte es seit Monaten Antisemitismus-Vorwürfe gegeben. / © Uwe Zucchi ( dpa )

Nach Antisemitismusvorwürfen ist die Atmosphäre auf der documenta nach Einschätzung des Kuratorenkollektivs Ruangrupa vergiftet. Auch fühlten sich Künstlerinnen und Künstler bei der internationalen Ausstellung in Kassel nicht willkommen, sagte Farid Rakun von der indonesischen Gruppe der "Süddeutschen Zeitung" in der Wochenendausgabe. Manche hätten Übergriffe erfahren; 90-Tage-Visa zwängen "die meisten von uns", immer wieder auszureisen. Man frage sich auch, welcher Vorwurf als nächstes komme. Zugleich sagte Rakun, dass der Dialog nicht gescheitert sei, er selbst sei weiter optimistisch.

Antisemitismusbeauftragter warnt documenta vor "Hintertüren"

Nach dem Fund weiterer als antisemitisch kritisierter Bilder auf der documenta warnt der hessische Antisemitismusbeauftragte Uwe Becker die Verantwortlichen der Kunstausstellung davor, "Hintertüren für Antisemitismus" offenzulassen. "Erklärungen oder Formen der Einordnung sind falsche Mittel im Umgang mit Judenhass", sagte Becker am 29. Juli in Wiesbaden.

Am 28. Juli hatten die Gesellschafter der documenta - die Stadt Kassel und das Land Hessen - gefordert, die diskutierten Zeichnungen lediglich "bis zu einer angemessenen Kontextualisierung" aus der Ausstellung zu nehmen.

Broschüre "Presence des Femmes" auf der documenta / © Uwe Zucchi (dpa)
Broschüre "Presence des Femmes" auf der documenta / © Uwe Zucchi ( dpa )

In dem Interview, das zu drei verschiedenen Zeitpunkten zwischen dem 9. Juli und 2. August geführt worden war, betonte Rakun Anfang August: "Wir lehnen Antisemitismus entschieden ab. Genau wie jede andere Form der Unterdrückung und Diskriminierung." Das Kollektiv sehe sich jedoch an den Pranger gestellt: "Wenn es nicht der Antisemitismus wäre, dann wäre es etwas anderes, das ist seit Januar klar und wird täglich klarer." Man sei "schuldig" gesprochen worden, "seitdem müssen wir ständig beweisen, dass wir es nicht sind".

Judenfeindliche Stereotype in der Darstellung

Zuletzt wurden auf der documenta Bilder diskutiert, die judenfeindliche Stereotype in der Darstellung von israelischen Soldaten aufweisen. Die Zeichnungen des syrischen Künstlers Burhan Karkoutly stammen aus der Broschüre "Presence des Femmes" von 1988 und sind Teil der Arbeit des Kollektivs "Archive der Frauenkämpfe in Algerien". Zuvor hatte die Präsentation des Banners "People's Justice" mit antisemitischen Darstellungen bereits für einen Skandal gesorgt. Das Banner war zunächst verdeckt und dann abgehängt worden. Die künstlerische Leitung der documenta will nun einige Erklärungen in die Ausstellung einfügen.

Reza Afisina von Ruangrupa sagte in dem Interview Anfang Juli, das Kollektiv habe nach der Entdeckung des Banners erst verdauen müssen, was passiert sei. "Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte, auch weil mir viele Kenntnisse fehlten." Schwierig sei, dass Kritik und Vorwürfe nie aufhörten. "Eine befriedigende Antwort scheint es hier nicht zu geben. Selbst wenn man dem anderen schon recht gegeben hat, gibt er keine Ruhe."

Rakun betonte, wenn das Kollektiv das Bild gesehen hätte, hätten die "Alarmglocken" geklingelt. "Es hätte nicht so gezeigt werden dürfen." Afisina sagte: "Vielleicht war uns nicht bewusst genug, wie roh hier noch die Erinnerung an den Krieg, an den Holocaust ist. Vielleicht hätten wir dem mehr Raum geben müssen."

Quelle:
KNA