Toussaint Louverture und sein Kampf gegen die Sklaverei

"Mit der Seele eines freien Menschen"

Eigentlich verbietet die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte die Sklaverei. Aber immer noch schuften Millionen Menschen unter sklavereiähnlichen Bedingungen. Zeit, an einen besonderen Charakter zu erinnern.

Autor/in:
Joachim Heinz
Sklaverei hat viele Formen / © N.N. (IJM)
Sklaverei hat viele Formen / © N.N. ( IJM )

Ein Abkommen, das fast auf den Tag genau vor 325 Jahren geschlossen wurde, legte die Grenzen fest, die bis heute die Verhältnisse auf Hispaniola bestimmen. Mit dem Frieden von Rijswijk wurde die Karibikinsel im Herbst 1697 in ein spanisches und ein kleineres französisches Territorium unterteilt. Daraus gingen später die Dominikanische Republik und Haiti hervor.

Eine ebenfalls einschneidende Veränderung hatte sich bereits ein paar Jahrzehnte zuvor angebahnt. Ab 1644 kam der Zuckerrohranbau in die Karibik und löste eine "ökonomische Revolution" aus, wie Hans Christoph Buch in seinem "Nachruf auf einen gescheiterten Staat" schreibt. An die Stelle von kleinen Farmen traten "großflächige Pflanzungen und Manufakturen", auf denen "ein ständig wachsendes Heer von Arbeitssklaven" ackerte: Unter erbärmlichsten Bedingungen, der Gewalt und Willkür der Großgrundbesitzer schutzlos ausgeliefert.

Ende des 18. Jahrhunderts lebten in der damals noch französischen Kolonie Saint-Domingue 500.000 meist aus Afrika stammende Sklaven. Einer von ihnen war Toussaint Louverture, der später einmal über sich sagen würde: "Ich wurde als Sklave geboren, aber die Natur gab mir die Seele eines freien Menschen." In den Erschütterungen, die die Französische Revolution 1789 auch in Übersee auslöste, bekam der charismatische Toussaint mehr und mehr das Heft des Handelns in die Hand.

Haiti

Cathédrale Notre-Dame de l’Assomption in Port-au-Prince, Haiti / © Rotorhead 30A Productions (shutterstock)
Cathédrale Notre-Dame de l’Assomption in Port-au-Prince, Haiti / © Rotorhead 30A Productions ( shutterstock )

Das karibische Haiti mit seinen rund elf Millionen Einwohnern und seinen zuletzt vermehrt auftretenden Naturkatastrophen ist das ärmste Land der westlichen Hemisphäre. Etwas kleiner als Belgien, nimmt der Karibikstaat das westliche Drittel der Insel Hispaniola ein. Haiti ist mit seinen etwa 11,5 Millionen Einwohner dichter besiedelt als Deutschland. 


Netzwerk quer durch Regionen und Bevölkerungsschichten

Seit 1998 erinnert die Unesco immer am 23. August mit einem Internationalen Tag an den Sklavenhandel und seine Abschaffung. Der Termin ist mit Bedacht gewählt. 1791 entfaltete an genau diesem Datum eine Revolte ihre volle Wucht, die das Sklavenwesen in der französischen Kolonie ins Wanken brachte. Einer der Protagonisten: Toussaint Louverture. Seine intellektuellen Fähigkeiten, aber auch sein Großmut gegenüber seinen Gegnern, seine militärischen Fertigkeiten, sein politischer Instinkt und die beinahe unheimliche Allgegenwart beschleunigten den Aufstieg Toussaints, dessen Vorfahren dem Volk der Allada aus dem heutigen Benin entstammten.

Nicht zuletzt dank seiner Reitkünste baute der "Zentaur der Savanne" ein Netzwerk quer durch die Regionen und Bevölkerungsschichten der Kolonie auf. Seine Kritiker setzten ihn mit den "abscheulichsten Ungeheuern der Geschichte" gleich. Für seine Bewunderer dagegen war er - in Anlehnung an den gleichnamigen Sklaven und Aufständischen im alten Rom - schlicht der "Schwarze Spartakus" - "Black Spartacus".

Heilende Kraft der Religion

In seiner unlängst erschienenen, ebenso detailreichen wie lesenswerten Biographie zeichnet Sudhir Hazareesingh das Bild einer Führungspersönlichkeit, die nicht zuletzt auf den Faktor Religion setzte. Toussaint verband Elemente des Voudou und des Christentums. "Er erkannte auch die heilende Kraft der Religion in einer Kolonie, die durch Sklaverei und Krieg verwüstet war, und zog die Bedeutung des Katholizismus als Quelle für Disziplin und soziale Ordnung pragmatisch ins Kalkül", schreibt Hazareesingh.

Daneben pflegte der Revolutionär Kontakte zu Freimaurern und ließ sich durch die "Histoire philosphique des Deux Indes" von Guilllaume-Thomas Raynal und Denis Diderot inspirieren. Laut Hazareesingh "eine grundstürzende Anklage des europäischen Kolonialismus und der barbarischen Sklaverei". Während Toussaint 1801 ganz Hispaniola unter seiner Herrschaft vereinigen konnte und per Verfassung die Sklaverei "für immer" abschaffen ließ, erwuchs ihm im fernen Frankreich ein mächtiger Gegner.

Kampf gegen Sklaverei nicht abgeschlossen

Napoleon wollte sich den direkten Zugriff auf die Kolonie sichern und schickte im Oktober 1801 eine Streitmacht von 20.000 Soldaten Richtung Karibik. Ein gutes halbes Jahr später wurde Toussaint festgenommen. Er starb am 7. April 1803 im Chateau de Joux im französischen Jura. Napoleons Truppen, durch Gelbfieber und Verluste dezimiert, konnten sich freilich nicht lange auf Haiti behaupten. Zu Jahresbeginn 1804 wurde aus der französischen Kolonie der erste unabhängige Staat in Lateinamerika.

Korruption, Kriminalität, Misswirtschaft: Über den heutigen Zustand seine Landes würde Toussaint wohl nur den Kopf schütteln. Und auch der Kampf gegen Sklaverei ist noch lange nicht abgeschlossen.

Quelle:
KNA