Sie warf Steinmeier am Mittwochabend zudem einen "unverhohlenen Druck" auf die Vollversammlung des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK) vor.
Der Bundespräsident hatte in einer Rede vor der Vollversammlung des Weltkirchenrats in Karlsruhe verurteilt, dass der orthodoxe Moskauer Patriarch Kyrill I. Russlands Krieg gegen die Ukraine rechtfertige.
Die Führer der russisch-orthodoxen Kirche lenkten ihre Gläubigen und ihre ganze Kirche, "auf einen schlimmen, ja geradezu glaubensfeindlichen und blasphemischen Irrweg", so das Staatsoberhaupt am Mittwoch. Die Kirchenführung habe "sich mit den Verbrechen des Krieges gegen die Ukraine gemein gemacht".
Außenamtschef äußert scharfe Kritik
Das orthodoxe Moskauer Patriarchat reagierte darauf mit einer deutlichen Antwort seines Außenamtschefs, Metropolit Antonij, der die Delegation der russischen Kirche bei dem ÖRK-Treffen in Karlsruhe leitet. Das deutsche Staatsoberhaupt habe "unbegründete Anschuldigungen" erhoben, "die alle humanitären Bemühungen des Moskauer Patriarchats im Zusammenhang mit der Konfrontation in der Ukraine völlig außer Acht ließen".
Steinmeiers Worte seien "ein Beispiel für den unverhohlenen Druck eines hochrangigen Regierungsvertreters auf die älteste innerchristliche Organisation, für die Einmischung in die internen Angelegenheiten des Ökumenischen Rats der Kirchen und für den Versuch, den friedensstiftenden und politisch neutralen Charakter dessen Arbeit infrage zu stellen", protestierte Antonij auf der Internetseite des Moskauer Patriarchats.
An der Vollversammlung des Weltkirchenrats in Karlsruhe nehmen Vertreter von rund 350 Kirchen teil. Das Ziel: gemeinsame Positionen und konkretes Handeln für die kommenden Jahre absprechen. Dem ÖRK gehören vor allem evangelische, anglikanische und orthodoxe Kirchen an. Die katholische Kirche hat Gaststatus.
Unabhängige Plattform
Der russische Metropolit drückte die Hoffnung aus, "dass der Ökumenische Rat der Kirchen auch weiterhin eine unabhängige Plattform für den Dialog bleiben wird, die in ihrer Tätigkeit nicht einer parteiischen politischen Ordnung seitens bestimmter Staaten folgt, sondern dem Ziel, Frieden und Harmonie zu fördern".
Steinmeier hatte gesagt, die Anwesenheit der russisch-orthodoxen Delegation sei "in diesen Zeiten keine Selbstverständlichkeit". Er erwarte von der Versammlung, dass den Vertretern der russisch-orthodoxen Kirche "die Wahrheit über diesen brutalen Krieg und Kritik an der Rolle ihrer Kirchenführung nicht erspart bleiben wird". Dialog sei kein Selbstzweck, sondern müsse Unrecht zur Sprache bringen und Opfer ebenso benennen wie Täter und deren Erfüllungsgehilfen. "Ein Dialog dagegen, der sich auf fromme Wünsche beschränkt und im Ungefähren bleibt, wird schlimmstenfalls zur Bühne für Rechtfertigung und Propaganda."
Ausdrücklich würdigte der Bundespräsident, dass sich Hunderte russisch-orthodoxe Priester trotz Bedrohung durch das Regime von Kreml-Chef Wladimir Putin gegen den Krieg gestellt hätten. "Möge eure Stimme auch in dieser Versammlung ein Echo finden", sagte er.