Lag es an der klaren Warnung aus Rom vor einer Verletzung der kirchlichen Einheit? Oder an den von manchen als arrogant empfundenen Redebeiträgen der progressiven Befürworter, die einzelne Rede-Beiträge der konservativen Minderheit als "Blödsinn" abgebürstet hatten? Oder an einzelnen kühnen Thesen in dem Text zu Themen wie Homosexualität, Geschlechter-Identität oder Masturbation?
Zweidrittel-Mehrheit bei Bischöfen nicht erreicht
Die Motive blieben unklar, aber klar ist das Ergebnis: Der Text "Leben in gelingenden Beziehungen - Wegmarken einer erneuerten Sozialethik" ist am Donnerstagabend bei der Vollversammlung des Synodalen Weges zur Zukunft der katholischen Kirche in Deutschland gescheitert. Fast 40 Prozent der teilnehmenden Bischöfe verweigerten der dort vorgeschlagenen Liberalisierung der katholischen Sexuallehre ihre Zustimmung und brachten damit das gesamte Projekt an den Rand des Scheiterns.
Mit zum Teil tränenerstickten Stimmen, aber auch mit Wut und Verachtung reagierten viele Teilnehmende in einer Spontandebatte auf das Ergebnis. Manche warfen den Bischöfen, die ihre Zustimmung verweigert hatten, vor, nicht mit offenem Visier gekämpft zu haben. Wenige zollten der konservativen Minderheit Respekt. Kaum einer der Bischöfe dieser Fraktion traute sich zunächst, sich zu "outen" angesichts der zum Teil massiven Vorwürfe. Einige Vertreter der progressiven Mehrheit verließen die Synodalversammlung unter Protest.
Abstimmungsgegner beklagen Schwierigkeiten in der Meinungsäußerung
Als Vertreter der konservativen Sperrminorität äußerte sich der Passauer Bischof Stefan Oster, der schon in der Debatte vor der Abstimmung seine Ablehnung deutlich gemacht hatte. Er verteidigte sein Nein zu dem vorgelegten Reformtext. Oster verwahrte sich gegen die Unterstellung, nichts auf dem Synodalen Weg gelernt zu haben oder eine "menschenfeindliche Position" zu vertreten. Er betonte, es sei nicht leicht, als Anhänger der Minderheit offen seine Position in der Versammlung zu vertreten.
Ähnlich äußerte sich der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke. Auch er hatte den Text abgelehnt. Er beklagte, dass es auf den bisherigen Vollversammlungen des Synodalen Wegs zu wenig Raum für Grundsatzdebatten gegeben habe. Der Kölner Weihbischof Rolf Steinhäuser, ebenfalls ein Angehöriger der Minderheit, betonte, es habe keine "Verschwörung" gegeben. Wie Steinhäuser beklagte der Kölner Weihbischof Ansgar Puff, dass es in der Vollversammlung zu wenig Raum für den freien Austausch von Argumenten gegeben habe. Er habe dem Text in Teilen, aber eben nicht insgesamt zustimmen können.
Innerkirchliche Konfliktlinien werden sichtbar
Erstmals in der knapp dreijährigen Geschichte des Synodalen Wegs kamen die Bischöfe und die sonstigen Teilnehmer der Synodalversammlung am späten Abend in zwei getrennten Krisensitzungen zusammen, um sich für das weitere Vorgehen abzustimmen.
Innerkirchliche Konfliktlinien waren bereits zuvor sichtbar geworden. So diskutierte die Vollversammlung über Äußerungen von Stetter-Karp zu Schwangerschaftsabbrüchen. Vor der Synodalversammlung erklärte die ZdK-Präsidentin, sie setze sich für den Lebensschutz und für den Abtreibungs-Paragraphen 218 im deutschen Strafgesetzbuch ein. Dieser stelle einen mühsam gewonnenen Kompromiss dar, der nicht aufgegeben werden solle. Sie betonte, kein Arzt dürfe gegen sein Gewissen zur Durchführung einer Abtreibung gezwungen werden. Aber es müsse auch dafür gesorgt werden, dass Schwangerschafts-Konfliktberatungen ergebnisoffen geführt werden könnten. Mehrere Synodale bekundeten ihre Solidarität mit Stetter-Karp, andere kritisierten sie.
Kein Gesprächskanal zur Weltbischofssynode – wie geht es weiter?
Zuvor hatte Bischof Bätzing eingeräumt, dass es zwischen dem Präsidium des deutschen Synodalen Wegs und dem Sekretariat der Weltbischofssynode keinen offiziellen Gesprächskanal gebe. Er bedauere das sehr, betonte Bätzing. Zugleich versicherte er, dass er mit dem Sekretär der Weltbischofssynode, Kardinal Mario Grech, und mit dem Synoden-Generalrelator, Kardinal Jean-Claude Hollerich, in einem "guten Austausch" stehe.
Eigentlich wollten die Synodalen bei ihrem Treffen in Frankfurt bis Samstag über 14 Papiere beraten, darunter beispielsweise einen Grundtext, der eine stärkere Rolle von Frauen in der Kirche fordert. Die ursprünglich vorgesehene Tagesordnung ist vorerst Makulatur.