Was das geteilte Korea von Deutschland lernen will

"Ich möchte die Menschen in Freiheit sehen"

Vor 32 Jahren wurde Deutschland wiedervereint. Ein Land, das seit fast 70 Jahren von der gefährlichsten Grenze der Welt geteilt wird, ist Korea. Die Hoffnung auf eine Vereinigung hat Missionar Kenneth Bae nie aufgegeben.

Autor/in:
Elena Hong
Schüler in Pyongyang, Nordkorea / © LMspencer (shutterstock)
Schüler in Pyongyang, Nordkorea / © LMspencer ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Sie arbeiten mit Menschen zusammen, die unter der Teilung Koreas leiden. Dafür haben Sie eine Organisation gegründet und helfen nordkoreanischen Flüchtlingen. Wie?

Kenneth Bae durchlebte zwei Jahre nordkoreanisches Zwangslager und gründete danach eine Hilfsinitiative für Flüchtlinge (privat)
Kenneth Bae durchlebte zwei Jahre nordkoreanisches Zwangslager und gründete danach eine Hilfsinitiative für Flüchtlinge / ( privat )

Kenneth Bae (Gründer der Non-Profit-Organisation "Nehemiah Global Initiative"): Seitdem ich aus der nordkoreanischen Gefangenschaft befreit wurde - das war im Jahr 2014, hatte ich den Wunsch, diesen Menschen zu helfen, die oft vergessen werden. Etwa 35.000 nordkoreanische Flüchtlinge leben in Südkorea und sind allein. In China leben schätzungsweise 200.000 Flüchtlinge.

Ich möchte die Flüchtlinge in Südkorea bei ihrer Integration unterstützen, damit sie sich hier ein neues Leben aufbauen können. Wir tun das, indem wir sie zum Arzt begleiten oder bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz oder Job unterstützen. Wir bieten auch Englisch-Kurse an, damit sie aufs College gehen können. Als christliche Organisation gibt es bei uns natürlich auch spirituelle Angebote.

DOMRADIO.DE: Zuvor haben Sie Nordkorea mehrmals selbst besucht und gerieten bei Ihrer letzten Tour selbst in Gefahr. Sie wurden verhaftet und mussten 735 Tage in Gefangenschaft bleiben - darüber haben Sie auch ein Buch geschrieben. Wie kam es dazu?

Bae: Ich bin in Seoul, Südkorea, geboren, bin aber in den USA aufgewachsen und habe die amerikanische Staatsbürgerschaft. Ich habe als Pastor gearbeitet und wurde als Missionar nach China und Nordkorea ausgesandt. Als ich in China gelebt habe, habe ich Nordkorea zum ersten Mal 2010 besucht. Mir wurde klar, dass es die Möglichkeit gibt, Menschen aus dem Westen als Touristen in das Land zu bringen. Also führte ich regelmäßig Besuchergruppen nach Nordkorea, um sie das Land betreten zu lassen und den Menschen dort in Nächstenliebe zu begegnen. Innerhalb eines Jahres, von 2011 bis 2012, schleuste ich 300 Christen aus der ganzen Welt nach Nordkorea.

Bei einer der Touren wurde ich verhaftet, weil die Geheimpolizei auf der Festplatte meines Computers westliche Dokumentationen über Nordkorea fand. Darin waren zum Teil hungernde Kinder zu sehen, die in Mülltonnen nach Essensresten suchten. Das mochten sie nicht. Sie entdeckten auch bald, dass ich Missionar war. Das sahen sie als Angriff auf den nordkoreanischen Staat an. Ich wurde zu 15 Jahren Arbeitslager verurteilt. Damit war ich der erste Amerikaner, der seit dem Korea-Krieg ins nordkoreanische Straflager geschickt wurde.

Nach zwei Jahren und fünf Tagen konnte ich mit der Hilfe von Präsident Barack Obama 2014 freigelassen werden. Während meiner Gefangenschaft bekam ich viele Briefe aus der ganzen Welt - auch aus Deutschland - von Menschen, die mir beistanden und für mich beteten. Sie schrieben: "Kenneth, wir haben dich nicht vergessen". Dafür bin ich immer noch dankbar. Das ist der Grund, warum ich überhaupt zurückkehren konnte und nun das tun kann, was ich tue.

Kenneth Bae

"Sie schrieben: "Kenneth, wir haben dich nicht vergessen". Dafür bin ich immer noch dankbar."

DOMRADIO.DE: Dann ist Ihnen der Dienst an den nordkoreanischen Flüchtlingen jetzt umso wichtiger.

Bae: Ich sehe in allen Menschen, die keine Heimat haben, einen großen Wert. Aber nordkoreanische Flüchtlingen, die über China geflüchtet und irgendwo gelandet sind, sind mir natürlich ein besonderes Anliegen.

Korea war früher ein Land. Es wurde 1945 geteilt. Wir hoffen auf eine Wiedervereinigung - so wie in Deutschland, damit wir wieder ein Land werden. Wenn das passiert, werden die Flüchtlinge unter Umständen wieder zurückkehren und die frohe Botschaft verbreiten. Sie haben beides erlebt: das Leben in Nordkorea und die Freiheit in Südkorea. Sie können, wie Nehemia in der Bibel, an ihren Ort zurückkehren, der zerstört war, ihr Land wieder aufbauen und ihre Landsleute stärken, auch im Glauben.

Kenneth Bae

"Wir hoffen auf eine Wiedervereinigung - so wie in Deutschland."

DOMRADIO.DE: Im nächsten Jahr wollen Sie mit NGI (Nehemia Global Initiative) und einer Gruppe von nordkoreanischen Flüchtlingen nach Deutschland kommen. Warum?

Bae: Ich plane eine Reise nach Deutschland, größtenteils mit jungen nordkoreanischen Studenten, um ihnen zu zeigen, wie ein geteiltes Land heute vereint ist. Wir werden uns die Berliner Mauer ansehen und andere historische Orte. Wir wollen Menschen treffen, die die Wiedervereinigung damals live miterlebt haben. Wir wollen mit ihnen über diese besondere Zeit sprechen und von ihnen lernen. Es wird inspirierend sein, zu sehen, wie man in einem wiedervereinten Land lebt.

Natürlich wollen wir auch davon berichten, wie es ist in Nordkorea zu leben. Wir wünschen uns, dass Menschen an die Nordkoreaner denken, so wie sie damals an mich gedacht haben.

DOMRADIO.DE: Ist das auch Ihre Vision für Korea in der Zukunft?

Kenneth Bae

"Ich möchte die Menschen in Nordkorea in Freiheit sehen und ich wünsche mir, dass getrennte Familien wieder zueinander finden."

Bae: Korea muss wieder vereint werden. Die Menschen in Norden haben keine Hoffnung. Sie sind isoliert und leider an Hunger und anderen Problemen. Ich möchte die Menschen in Nordkorea in Freiheit sehen und ich wünsche mir, dass getrennte Familien wieder zueinander finden.

Das Interview führte und übersetzte Elena Hong.

Die abgeschottete Diktatur Nordkorea

Das politisch weitgehend isolierte Nordkorea ist nach Jahrzehnten kommunistischer Diktatur ein verarmter Staat, der sogar Hungersnöte kennt. An der Spitze der "Demokratischen Volksrepublik Korea" steht seit 2011 Kim Jong Un, um den ein intensiver Personenkult betrieben wird. Bereits sein Vater und sein Großvater, der Staatsgründer, herrschten ähnlich über das Land. Alle Medien sind gleichgeschaltet. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes setzt die Führung auf "ideologische Erziehung" der Menschen und Abschottung gegen Ideen aus dem Ausland.

Bronzestatuen von Kim Il Sung and Kim Jong Il in Nordkorea / © Mikhail Priakhin (shutterstock)
Bronzestatuen von Kim Il Sung and Kim Jong Il in Nordkorea / © Mikhail Priakhin ( shutterstock )

 

 

Quelle:
DR