Dies ist ein Auszug der aktuellen Folge des Podcasts "Himmelklar". Das komplette Interview gibt es hier zum Anhören:
Himmelklar: Der BDKJ setzt sich für progressive Werte in der Kirche ein. Geschlechtergerechtigkeit, Frauenweihe, etc. sind Punkte, die sich gerade junge Menschen in der Kirche dringend wünschen. Trotzdem können Sie nur anregen, nicht selbst entscheiden. Haben Sie den Eindruck, dass die Wünsche, Forderungen und Statements, die von Ihnen kommen, wirklich ernst genommen werden? Oder redet man da gegen die Wand?
Stefan Ottersbach (Bundespräses des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend / BDKJ): Da ist noch Luft nach oben. Gerade bei der strukturellen Beteiligung läuft noch nicht alles so, dass Kinder und Jugendliche wirklich gut beteiligt sind. Deshalb ist es ja auch wichtig, dass wir immer wieder Position beziehen.
Zugleich meine ich aber schon, dass wir uns durchaus einbringen und natürlich immer wieder auch die Stimme erheben, weil uns sehr daran gelegen ist, dass wir uns als Glaubensgemeinschaft weiterentwickeln.
Himmelklar: Sowohl als Verband, aber auch Sie persönlich als Bundespräses müssen doch eigentlich dauernd zwischen den Stühlen stehen – zwischen einer Jugend, die sich eine progressive, aufgeschlossene Gesellschaft wünscht, und einer Kirche, für die Sie als Kleriker für kirchliche, festgeschriebene Werte und Hierarchien einstehen. Wie kriegt man das hin, mit so einer Spannung umzugehen?
Ottersbach: Ich kann es ganz persönlich sagen. Das ist einfach ätzend zu merken, wie die Lebenswelt, in der ich mich bewege und zu der ich gehöre, differiert zu dem, was einzelne, aber doch sehr wortgewaltige und einflussreiche Personen in unserer Kirche vertreten. Das ist tagtäglich eine Gratwanderung. Ich bin ja Teil des Systems. Und indem ich dabei bleibe stütze ich dieses System.
Gleichzeitig ist es aber auch keine wirkliche Option, das System zu verlassen, weil ich damit eben auch Kräfte im System stark mache, die ich eigentlich gar nicht stark machen möchte. Was mich letztlich tröstet, ist, dass wir in einem größeren kirchengeschichtlichen Kontext stehen. Wir sind immer noch in der Rezeptionsgeschichte des Zweiten Vatikanischen Konzils. Wir erleben da unterschiedliche Phasen und haben im Augenblick mit dem Pontifikat von Papst Franziskus eine, in der überhaupt erst viele Dinge besprechbar werden und an die Oberfläche kommen.
Nach vielen Jahren früherer Pontifikate sind wir jetzt in einer Situation, in der überhaupt mal wieder verhältnismäßig angstfrei Themen offen angesprochen werden dürfen.
Himmelklar: Die fünfte Vollversammlung des Synodalen Wegs steht im kommenden Jahr noch an. Jetzt ist im Prinzip schon klar, dass wohl noch nicht einmal alles abgestimmt werden kann, was in den letzten zwei Jahren beraten wurde. Der Text zur Sexualität ist ja schon durchgefallen. Er hat nicht die Zweidrittelmehrheit unter den Bischöfen bekommen. Was ist Ihr Plan als BDKJ, wenn das, wie es fast schon zu erwarten ist, nicht zu greifbaren Ergebnissen und Änderungen führt? Das ist ja auch etwas, wo auch vonseiten der Jugend viele Hoffnungen hineingelegt wurden. Haben Sie da einen Plan B?
Ottersbach: Wir müssen das reflektieren und auswerten. Die Erwartungen und die Hoffnungen auf den Weg hin waren enorm hoch. Am Ende wird es darum gehen, zu sehen, was jetzt tatsächlich erreicht werden konnte. Eines ist klar: Dass jetzt viele Texte nicht mehr befasst werden können, das ist ein großes Manko. Und es ist auch ein großes Manko, dass der Synodale Weg nach jetzigem Stand doch weiter in den bisherigen Machtstrukturen verhaftet bleibt.
Noch einmal als Erinnerung: Durch die MHG-Studie wissen wir, dass Kirche sich systemisch verändern muss, weil das System Kirche selbst dazu geführt hat, dass sexualisierte Gewalt stattgefunden hat und dass diese systemisch vertuscht worden ist. Wir müssen daher unsere Verantwortung ernst nehmen, dass das nicht mehr passieren kann. Deshalb müssen wir an die systemischen Fragen ran. Und wir erleben mit dem Synodalen Weg, dass es sehr schwierig ist, dass das System aus sich selbst heraus zu Veränderungen kommt.
Es liegt also noch eine Menge Arbeit vor uns.
Himmelklar: Was bringt Ihnen da Hoffnung – auch für die Kirche?
Ottersbach: Von Hoffnung spreche ich, wenn ich in einem Kontext bin, der nicht rosarot, sondern der krisenhaft ist. Ich kann da auf meine eigene Biografie schauen und feststellen, dass es immer wieder solche Momente gab, wo Hoffnung real geworden ist, wo sie sich als tragfähig erwiesen hat. Sei es dadurch, dass mir Menschen begegnet sind, die mir liebend begegnet sind, und das ist letztlich für mich auch Jesus Christus.
Hoffnungserfahrungen sind für mich auch dann real geworden durch gnadenhafte Momente, also durch Augenblicke, wo sich auf einmal eine Wirklichkeit gezeigt hat, die größer ist, als ich es vermutet hatte. Ich setze darauf, dass sich das in meinem Leben fortsetzen wird. Ich hoffe also, dass sich das, was ich anfangs schon mal erfahren durfte, auch weiter bewahrheiten wird.