Interreligiöse Friedenstagung in Worms beginnt

Spirituelle Impulse und Karaoke

Krieg, Streit, körperliche oder verbale Angriffe auf der Straße – vielfach sind es die unterschiedlichen Religionen, die Auslöser eines Konfliktes sind. Dem will der Verein "Coexister“ entgegenwirken, unterstützt vom Erzbistum Köln.

Interreligiöser Dialog / © StunningArt (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Sie machen sich an diesem Freitag als Gruppe von Köln auf den Weg nach Worms. Um was zu tun?

Carolin Hillenbrand (Co-Vorsitzende Coexister Germany e.V.): Wir laden zu einer großen Friedenstagung ein. Um den Frieden ist es ja gerade in der Welt nicht gerade rosig bestellt. Wir sagen, wir wollen ein Zeichen des Friedens setzen, auch wenn um uns herum vielleicht Bomben fliegen. Wir wollen Zeichen setzen, auch wenn wir ganz unterschiedlich sind und auch an Unterschiedliches glauben, dass wir trotzdem in Frieden miteinander leben können. Diese Botschaft würden wir gerne senden. Dafür treffen wir uns mit rund 50 jungen Leuten jetzt am Wochenende in Worms.

Carolin Hillenbrand / © Jannis Butterhof (privat)
Carolin Hillenbrand / © Jannis Butterhof ( privat )

DOMRADIO.DE: Menschen aus verschiedenen Konfessionen und Religionen sind dabei. Was machen Sie denn dann da in diesen drei Tagen?

Hillenbrand: Unser Programm ist so vielfältig wie die Teilnehmenden selbst. Wir haben verschiedene Workshops zur Friedensarbeit, zum Beispiel zur gewaltfreien Kommunikation. Wir haben eine ganz große Podiumsdiskussion mit tollen, inspirierenden Persönlichkeiten, die sich für den Frieden weltweit einsetzen. Jemand aus Afghanistan, aus Kamerun ist dabei. Dann werden wir noch Worms erkunden, eine interreligiöse Stadt.

Synagoge in Worms / © Harald Oppitz (KNA)
Synagoge in Worms / © Harald Oppitz ( KNA )

Was uns auch auszeichnet ist, dass wir oft spirituelle Impulse mit einbauen. Zum Beispiel werden wir heute Abend gemeinsam den jüdischen Schabbat feiern und werden immer wieder kleine Auszeiten auch im religiösen oder spirituellen Sinne über die Tage verteilt haben. Und was natürlich nicht fehlen darf: Karaoke am Abend. Denn auch wenn wir unterschiedliche Muttersprachen haben, finden wir oft in der Musik eine gemeinsame Sprache.

DOMRADIO.DE: Sie hatten die gewaltfreie Kommunikation erwähnt, die Sie noch mal in Workshops einüben beziehungsweise erlernen. Ich nehme mal an, in dem Friedens-Verein kommuniziert man ohnehin schon gewaltfrei?

Carolin Hillenbrand

"Trotz unterschiedlicher Muttersprachen finden wir oft in der Musik eine gemeinsame Sprache."

Hillenbrand: Wir versuchen es natürlich. Aber da steckt ja doch noch mal so viel mehr dahinter. Manchmal macht man das auch unbewusst. Wir haben GfK-Trainer*innen ["Gewaltfreie Kommunikation"; Anm. d. Red], die das ganz professionell machen und dann auch sagen, ob es vielleicht noch kleine Begriffe oder Wörter gibt. Zum Beispiel das Wort Flüchtling mit der Endung "ling" kann zum Beispiel Geflüchtete verniedlichen oder kleiner machen. Das wurde mir auch erst vor einem Jahr bewusst. Wir haben auch viele Geflüchtete bei uns mit dabei und erfahren, wie doch manche Wörter ein bisschen mehr zum Frieden beitragen können als andere. Viel passiert ja auch nonverbal, es geht also nicht nur um die sprachliche Kommunikation, sondern auch um Haltungen, um Gesten. Da kann so ein Training auf jeden Fall nicht schaden, auch bei uns nicht.

DOMRADIO.DE: Sie werden unter anderem auch vom Erzbistum Köln unterstützt. Wie groß ist die Akzeptanz, wenn Sie jetzt Verwandten und Freunden von Ihrem Engagement zu dieser interreligiösen Friedenstagung erzählen?

Carolin Hillenbrand

"Religionen sollen Teil der Lösung werden, denn sonst werden sie Teil des Problems."

Hillenbrand: Tatsächlich ist das Interesse immer mehr gestiegen. Wir hatten auch noch mal ein Hoch, als der Krieg in der Ukraine ausbrach und wir gemerkt haben, wir wollen irgendwas tun. Man fühlt sich so hilflos, ohnmächtig. Aber wir wollen auch hier jetzt ein Zeichen des Friedens setzen. Da kam viel in meinem Umfeld noch mal dazu, viele haben gefragt: Was macht ihr da eigentlich? Warum ist es so wichtig?

Und weil die Religion leider in Konflikten weltweit eine große Rolle spielt, aber auch in Friedensprozessen, ist die Anerkennung groß, dass wir sagen: Religionen sollen auch Teil der Lösung werden, denn sonst werden sie Teil des Problems.

Wir versuchen zu zeigen, wie Religionen auch friedlich miteinander leben können. Ich habe das Gefühl, dass da auch eine höhere Sensibilität in meinem Umfeld dabei ist. So konnten wir schon viele zum Mitmachen für unsere Aktion hier mobilisieren.

DOMRADIO.DE: Frieden ist kein Zustand, sondern ein Prozess, sagen sie. Da muss man aber viel dran arbeiten, oder?

Hillenbrand: Fast täglich. Das wurde mir jetzt erst wirklich bewusst, dass es nicht selbstverständlich ist, dass ich hier in Frieden aufwachsen konnte und dass es nicht selbstverständlich ist, dass meine Kinder oder Enkelkinder später mal auch in Frieden aufwachsen können. Deswegen, glaube ich, braucht es jetzt jeden und jede einzelne von uns, der oder die einen kleinen Beitrag leistet. Es ist wichtig, dass wir viele kleine Leuchttürme des Friedens werden, auch gerade in Deutschland, weil es einfach nicht selbstverständlich ist. Es braucht gerade auch uns junge Leute, die sich tagtäglich dafür einsetzen.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.

 

Quelle:
DR