Der Fund sei die bedeutendste Entdeckung in der Stadt, seit vor 50 Jahren die inzwischen berühmten Hanghäuser entdeckt wurden, teilte die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) am Freitag mit. Einzigartig sei die Masse der religiösen Ampullen aus dem 6. Jahrhundert; "bislang kannten wir 20", sagte die Direktorin des Archäologischen Instituts der ÖAW, Sabine Ladstätter, der Presseagentur Kathpress.
Fläschchen für Pilger
Die etwa drei bis fünf Zentimeter hohen Fläschchen wurden demnach Pilgern zum Kauf angeboten, die sie bei den Pilgerstätten mit Erde oder Wasser befüllt und mit einem Lederbändchen um den Hals mit nach Hause genommen hätten.
Der neu entdeckte Stadtteil liegt am Domitiansplatz, einer prominenten Platzanlage am politischen Zentrum der römischen Stadt. Die hier 2022 durchgeführten Grabungen sind Teil eines großen Forschungsprojekts, das sich den Veränderungen der Stadt zwischen römischer Kaiserzeit und Spätantike widmet.
Einstige Metropole des Christentums
Der archäologische Befund zeige aber auch eine massive Brandzerstörung, die "plötzlich, dramatisch und folgenschwer gewesen sein muss", so Ladstätter in der Mitteilung. Etliche Pfeil- sowie Lanzenspitzen lieferten Hinweise auf eine kriegerische Auseinandersetzung, womöglich im Zuge von Einfällen der persischen Sassaniden ins westliche Kleinasien. Die Stadt sei im 7. Jahrhundert sprunghaft kleiner geworden, der Lebensstandard deutlich gesunken.
Ephesos gilt als eine der bedeutendsten Metropolen des Christentums. Früh entstand dort eine Christengemeinde. Die erfolgreiche Predigt des Apostels Paulus zog so viele Menschen in den Bann, dass die Devotionalienhändler rund um den Artemis-Tempel wegen "Geschäftsschädigung" eine Großdemonstration gegen ihn anzettelten (Apostelgeschichte 19,21-40).
Zum Neuen Testament gehört auch ein Paulus zugeschriebener "Brief an die Epheser". Er dürfte Ende des ersten Jahrhunderts entstanden sein. In der Offenbarung des Johannes ist ein "Sendschreiben" an die Christen von Ephesos überliefert, in dem ihnen vorgeworfen wird, "von der ersten Liebe" abgefallen zu sein (Offenbarung 2,1-7).
Grab des Johannes und Haus Mariens
In der Stadt wird das Grab des Evangelisten Johannes verehrt. Ende des 2. oder Anfang des 3. Jahrhunderts wurde ihm zu Ehren eine Kirche errichtet. Um 250 spielt in der Stadt die Siebenschläfer-Legende. Sie entstand Anfang des 4. Jahrhunderts in Zusammenhang mit theologischen Anfechtungen der Auferstehung von den Toten. Eine Grabstätte erinnert noch heute daran.
Ephesos hat noch einen weiteren Bezugspunkt zur Mutter Jesu Christi: Einer Überlieferung nach soll Maria in einem Haus in Ephesos gelebt haben. Daran erinnert das dortige Marienheiligtum Meryem Ana Evi (Haus Mariens). Es ist eine der meistbesuchten christlichen Pilgerstätten in der heutigen Türkei. Jährlich kommen Zehntausende - nicht nur Christen, sondern auch Muslime - in die schlichte Steinkapelle auf einem Hügel nahe der antiken Stadt Ephesos. Auch die Päpste Paul VI. (1967) und Johannes Paul II. (1979) und zuletzt Benedikt XVI. 2006 besuchten den Ort.