Historiker warnt vor mangelnder Missbrauchsaufarbeitung

Dunkle Flecken auf der kirchlichen Landkarte?

Der Münsteraner Historiker Klaus Große Kracht warnt vor einem großen Schaden, falls nicht alle deutschen katholischen Bistümer ihren Umgang mit sexuellem Missbrauch gründlich aufarbeiten. Er fürchtet eine "Zweiklassengesellschaft".

Protest gegen kirchlichen Umgang mit Missbrauch / © Julia Steinbrecht (KNA)
Protest gegen kirchlichen Umgang mit Missbrauch / © Julia Steinbrecht ( KNA )

"Wenn wir weiterhin weiße oder vielmehr dunkle Flecken auf der kirchlichen Landkarte behalten, werden wir mit der Aufarbeitung auf nationaler und auch internationaler Ebene nicht wirklich weiterkommen", sagte er der "Augsburger Allgemeinen" (Dienstag).

Die Historiker Thomas Großbölting (l) und Klaus Große Kracht, sprechen bei der Pressekonferenz zur Vorstellung der Studienergebnisse zum Missbrauch im Bistum Münster / © Guido Kirchner (dpa)
Die Historiker Thomas Großbölting (l) und Klaus Große Kracht, sprechen bei der Pressekonferenz zur Vorstellung der Studienergebnisse zum Missbrauch im Bistum Münster / © Guido Kirchner ( dpa )

In jedem Bistum gebe es zahlreiche Betroffene, die eine umfassende Aufarbeitung verlangten. "Sie haben ein Recht darauf, dass auch ihre Geschichte untersucht wird", so der Professor, der vor einigen Monaten eine Missbrauchsstudie für das Bistum Münster vorgestellt hatte. Zwar hätten die meisten Bistümer eigene wissenschaftliche oder juristische Aufarbeitungsstudien in Auftrag gegeben. Aber es gebe leider immer noch Diözesen, die dazu nicht bereit seien.

Warnung vor einer "Zweiklassengesellschaft"

Große Kracht warnte vor einer "Zweiklassengesellschaft" in Sachen Aufarbeitung. Häufig würden finanzielle Gründe für die Zurückhaltung genannt. In solchen Fällen müsse der Verband der Diözesen Deutschlands (VDD) einspringen und die entsprechenden Mittel für Studien bereitstellen, forderte der Experte.

Studie: Flächendeckender Missbrauch im Bistum Münster

Die Zahl der beschuldigten Priester und Missbrauchsopfer im Bistum Münster ist nach einer Studie der Universität Münster deutlich höher als bekannt. Laut der über zwei Jahre dauernden Forschungsarbeit eines fünfköpfigen Teams gab es von 1945 bis 2020 fast 200 Kleriker und bekannte 610 minderjährige Opfer von sexuellem Missbrauch. Damit sind 4,17 Prozent der Priester betroffen. Die Dunkelziffer ist erheblich höher. Die Forscher gehen von 5000 bis 6000 Opfern aus.

 Studie zu Macht und sexuellem Missbrauch in Münster
 / © Lars Berg (KNA)
Studie zu Macht und sexuellem Missbrauch in Münster / © Lars Berg ( KNA )
Quelle:
KNA