Köln ist bekannt für Humor. Dass das vermutlich größte Knochenhaus nördlich der Alpen den Namen "Goldene Kammer" trägt, ist aber kein makabrer Scherz. Das barocke Beinhaus, dessen Wände Hunderte von Knochen zieren, gehört zur Kirche Sankt Ursula unweit des Kölner Doms. Der Bezeichnung "Golden" soll sie bald wieder alle Ehre machen.
Besonderes Handwerk
Die Restauratorinnen Dorothee Fobes-Averdick und Linda Schäfer-Krause setzen derzeit das vergoldete Schnitzwerk wieder instand, das unter anderem 600 mit Stoff verzierte, menschliche Schädel einrahmt. Die Arbeit kostete sie anfangs etwas Überwindung, wie sie erzählen. Denn bevor sie einzelne, bereits fertig restaurierte Holzrahmen wieder an Ort und Stelle festmachten, mussten sie einige der Schädel anfassen und auf den hölzernen Regalböden ausrichten.
"Ich fand das sehr intim", sagt Fobes-Averdick. Aber: "Irgendwie ist es tröstlich, dass diese Schädel so einen tollen Platz haben." Ihre Kollegin Schäfer-Krause nickt. "Das ist eine Wertschätzung", stimmt sie zu und zeigt auf die detailreiche Stoffverzierung. "Was das für ein Handwerk ist", sagt sie begeistert. Auch Schädel und Textilien wurden bearbeitet - von Restauratorin Ulrike Reichert.
Heilige Ursula und ihre Begleiterinnen
Aber nicht nur Totenköpfe sind in Sankt Ursula zu sehen. Rippen-, Becken-, Arm- und Beinknochen bilden oberhalb der vergoldeten Schnitzereien ein bis zum Kreuzrippengewölbe reichendes Mosaik. Der Legende nach handelt es sich um die sterblichen Reste der Heiligen Ursula und ihrer zahlreichen Begleiterinnen - 11.000 Jungfrauen, wie es heißt. Heidnische Hunnen sollen sie im 5. Jahrhundert getötet haben; die Jungfrauen seien als Märtyrerinnen gestorben.
In Wahrheit aber stammen die Knochen vermutlich von einem antiken Gräberfeld, das bei der Erweiterung der Stadtbefestigung im 12. Jahrhundert entdeckt wurde. Im 17. Jahrhundert stifteten ein wohlhabender Kölner Ratsherr und seine Frau die Goldene Kammer. Unter dem Eindruck des Dreißigjährigen Krieges hatte der Ausspruch "Memento mori" - "Bedenke, dass du sterblich bist" - Konjunktur. Das Beinhaus passte somit gut in die Epoche des Barock.
Reliquien werden instand gesetzt
Über das reich verzierte Schnitzwerk mussten sich Fobes-Averdick und Schäfer-Krause zunächst einen Überblick verschaffen. Während früherer Restaurierungen wurde es nämlich ausgebaut und nicht wieder vollständig zurückgebaut. Etwa 170 Einzelteile lagern derzeit im Amt für Denkmalpflege des Landschaftsverbands Rheinland (LVR). Die bringen die Fachfrauen nach und nach zurück und setzen das gesamte Schnitzwerk wieder instand. Wand für Wand arbeiten sich die Expertinnen vor.
Am Ende sind die 118 Reliquienbüsten an der Reihe, die zum Teil im Mittelalter, zum Teil im Barock entstanden. Zudem wurden einige mittelalterliche Figuren im Barock überarbeitet. In ihrem Inneren sind ebenfalls Knochen oder Schädel aufbewahrt, bei einigen durch Löcher in der Brust sichtbar. "Das wird eine zurückhaltende Bearbeitung sein", sagt Fobes-Averdick. "Der Fokus liegt auf der Konservierung." Beim Schnitzwerk gehe es darum, das Original nicht zu verändern, ergänzt Schäfer-Krause. Fehlstellen werden ursprungsgetreu wieder hergestellt.
Arbeiten bis 2024
Die Restaurierung durch die Fachfrauen bildet nur einen Bereich der neu aufgenommenen Arbeiten, die Anfang 2022 starteten. Unter anderem wird auch die Verglasung hinter den Holzrahmen instand gesetzt. Insgesamt 700.000 Euro werden diese Maßnahmen schätzungsweise kosten. Bis 2024 sollen die Schädelreliquien und das Schrankwerk in altem Glanz erstrahlen.
An den Reliquienbüsten aus dem 14. Jahrhundert fällt übrigens ein überraschend freundlicher Gesichtsausdruck auf. "Dieses Lächeln soll den Gläubigen die Hoffnung auf den Zustand der Seligkeit durch die Aufnahme in den Himmel geben", erklärt die Bauabteilung im Erzbistum Köln. Tatsächlich ist das "kölsche Lächeln" zu einem feststehenden Begriff in der Kunstwelt geworden - passend zum Humor und zur Lebensfreude, für die Köln heute bekannt ist.