Claus rät Kirche zu Überdenken der Missbrauchsaufarbeitung

Unabhängigkeit wesentliches Kriterium

Die unabhängige Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung hat Bedenken an der Aufarbeitung in der katholischen Kirche angemeldet. Hintergrund ist der Rücktritt des Vorsitzenden der Aufarbeitungskommission im Erzbistum Köln.

Protest von Opferorganisationen vor dem Fuldaer Dom (Archiv) / © Julia Steinbrecht (KNA)
Protest von Opferorganisationen vor dem Fuldaer Dom (Archiv) / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Die aktuelle Entwicklung in Köln sei ein Rückschlag für die notwendige Aufarbeitung, erklärte Kerstin Claus am Montag auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Berlin. Der Vorgang werfe auch mit Blick auf die Beteiligung von Betroffenen Fragen auf.

Staatsrechtler hegt Zweifel

Der Staatsrechtler Stephan Rixen hatte am Montag bekannt gegeben, seine Mitgliedschaft in der Unabhängigen Aufarbeitungskommission für das Erzbistum Köln zu beenden und damit auch den Vorsitz niederzulegen. Als Grund gab er Zweifel an Unabhängigkeit und Effizienz des Gremiums an. Die nordrhein-westfälische Landesregierung hatte ihn in das Gremium entsandt.

Stephan Rixen (Deutscher Ethikrat)

Die Errichtung der Kommission geht auf eine Vereinbarung zwischen dem früheren Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, und der Deutschen Bischofskonferenz zurück.

Mitglieder sind Vertreter des Bistums, Experten aus Wissenschaft, Fachpraxis, Justiz und öffentlicher Verwaltung sowie Betroffene. Sie werden teils von der Kirche, teils von der Landesregierung benannt und sämtlich vom Ortsbischof berufen.

Claus sieht Gesprächsbedarf

Claus erklärte weiter, sie habe Gesprächsbedarf. Denn wesentliches Kriterium der Aufarbeitung sei ihre Unabhängigkeit. Es müsse perspektivisch geschaut werden, welche weitere Stärkung - über die Gemeinsame Erklärung hinaus - für eine umfassende und unabhängige Aufarbeitung notwendig seien.

Kerstin Claus, Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, am 09.08.2022 in Berlin. Seit April 2022 ist sie Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs. / © Hans Scherhaufer (epd)
Kerstin Claus, Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, am 09.08.2022 in Berlin. Seit April 2022 ist sie Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs. / © Hans Scherhaufer ( epd )

Claus verwies darauf, dass sich die Ampelfraktionen in ihrem Koalitionsvertrag auf eine Stärkung ihres Amtes verständigt hatten.

Mit Blick darauf werde sie sich auch für eine Aufwertung der bei ihrem Amt angesiedelten Unabhängigen Aufarbeitungskommission auf Bundesebene und des Betroffenenrates einsetzen. "Betroffene haben ein Recht auf Aufarbeitung - Institutionen und Gesellschaft sind in der Pflicht, hierfür Strukturen bereitzustellen", sagte Claus.

Streit in drei Ost-Bistümern

Auch in drei Ost-Bistümern hatte es mit Blick auf die Aufarbeitung Streit gegeben. Vertreterinnen und Vertreter des Betroffenenbeirats ließen Anfang November ihre Mitarbeit in der Aufarbeitungskommission ruhen und sprachen sich gegen eine Konstituierung derselben aus.

Anlass der Kontroverse war eine Änderung der Satzung durch die Bischöfe, wonach Betroffene neben dem Kommissionsvorsitz auch nicht die Stellvertretung übernehmen dürfen. Hier war Claus um Vermittlung gebeten worden.

Das Amt des Missbrauchsbeauftragten

Das Amt des Unabhängigen Missbrauchsbeauftragten sowie den Runden Tisch Sexueller Kindesmissbrauch hat die Bundesregierung 2010 eingerichtet. Es war eine Reaktion auf das damals bekannt gewordene Ausmaß des sexuellen Kindesmissbrauchs in Einrichtungen und Institutionen. Das Amt wurde zunächst von der ehemaligen Bundesfamilienministerin Christine Bergmann ausgeübt. Seit Dezember 2011 war Johannes-Wilhelm Rörig Missbrauchsbeauftragter, am 30.03.2022 wurde er von Kerstin Claus abgelöst. (www.bundesregierung.de)

Symbolbild Missbrauch / © somkhana (shutterstock)
Quelle:
KNA