Wie sich Gottesdienst zu Hause feiern lässt

"Kirche im Kleinen"

Es ist gar nicht so schwer, gemeinsam Gottesdienst zu Hause zu feiern. Das erklären Tutorials, die ab jetzt täglich erscheinen. Liturgiewissenschaftler Alexander Saberschinsky sieht das als Ergänzung zur Messe in der Kirche.

Symbolbild Hausgottesdienst / © kharoll Mendoza (shutterstock)
Symbolbild Hausgottesdienst / © kharoll Mendoza ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Vor einem Jahr war die Stimmung noch ein bisschen anders und von der Pandemie überschattet. Wir erinnern uns an leere Kirchen und Gottesdienste per Videoübertragung. Dadurch sind auch Haus-Gottesdienste ziemlich beliebt geworden. DOMRADIO.DE hat gemeinsam mit der Katholischen Fernseharbeit Video-Tutorials zur Feier des Gottesdienstes in den eigenen vier Wänden produziert. Sie sind Referent für Liturgie in der Hauptabteilung Seelsorge im Erzbischöflichen Generalvikariat in Köln und standen selbst vor der Kamera. Was genau ist eigentlich ein Hausgottesdienst? 

Prof. Alexander Saberschinsky / © Tomasetti (DR)
Prof. Alexander Saberschinsky / © Tomasetti ( DR )

Prof. Dr. Alexander Saberschinsky (Referent für Liturgie, Hauptabteilung Seelsorge im Erzbischöflichen Generalvikariat in Köln): Was der Name schon sagt. Es ist ein Gottesdienst, den ich zu Hause feiere. Aber das muss man tatsächlich nochmal ein bisschen erklären, denn die übliche katholische Vorstellung ist, dass man in eine Kirche geht und dort "hauptamtliches Personal", im Zweifelsfall ein Priester, ist, der der Messfeier vorsteht. Die Messfeier ist ja das, was gemeinhin mit dem Begriff Gottesdienst assoziiert wird, obwohl es viel mehr Gottesdienstformen gibt, aber mit einer Eucharistiefeier in Verbindung gebracht wird. Dafür brauche ich einen Priester.

Und jetzt soll das auf einmal alles zu Hause gehen, ohne Priester? Es geht schon. Ich kann natürlich nicht zu Hause eine Messe feiern, aber ein Gottesdienst. 

DOMRADIO.DE: Das heißt, es geht hier nicht um die Eucharistiefeier am Sonntagmorgen. 

Saberschinsky: Genau. Darauf muss man hinweisen. Aber Gottesdienst ist eben mehr als Eucharistiefeier. Klar, das ist die eine Form von Gottesdienst, ein ganz zentraler, unverzichtbarer Gottesdienst. Aber Gottesdienst ist noch mehr. Wenn man erklären möchte, was Gottesdienst ist, dann ist das eigentlich vielleicht leichter, als man denkt.

Man kann es am Begriff Gottesdienst festmachen: Wer dient da eigentlich wem? Nach katholischem Verständnis ist es so, dass die erste Initiative Gott hat. Zunächst mal ist das ein Dienst Gottes an uns Menschen. In der Eucharistie passiert das ganz konkret durch das Sakrament. Aber er wendet sich uns auch in der Schriftlesung zu. Und das ist das, was man auch zu Hause machen kann, in der Heiligen Schrift lesen.

Prof. Dr. Alexander Saberschinsky (Referent für Liturgie in der Hauptabteilung Seelsorge im Erzbischöflichen Generalvikariat in Köln)

"Wenn nicht nur ich alleine auf meiner Bettkante beim Gute-Nacht-Gebet bete, sondern man als Gemeinschaft zusammenkommt, als Kirche im Kleinen, dann ist das schon Gottesdienst."

Jetzt kommt aber etwas Zweites hinzu, damit es wirklich ein Gottesdienst wird: Die Feiernden müssen auf Gott reagieren. Das ist nämlich nicht nur eine Information, sondern Gott wendet sich, ich sage mal, persönlich den Menschen zu. Er will eine Beziehung mit ihnen eingehen. Dazu muss ich mich natürlich verhalten. Und dann, wenn wir als Menschen darauf reagieren, indem wir Gott danken, indem wir ihn preisen, unsere Bitten vortragen, nehmen wir diese Beziehung auf. Das wäre dann der Dienst, den die Menschen Gott leisten. Wenn das zusammenkommt und nicht nur ich alleine auf meiner Bettkante beim Gute-Nacht-Gebet bete, sondern man als Gemeinschaft zusammenkommt, als Kirche im Kleinen, dann ist das schon Gottesdienst.

Erzbistum Köln

Das Erzbistum Köln zählt zu den bedeutendsten Diözesen in Deutschland. Mit rund 1,9 Millionen Katholiken hat es die meisten Mitglieder, gefolgt von Münster, Freiburg und Rottenburg-Stuttgart (je rund 1,8 Millionen). Das Vermögen liegt bei rund 3,8 Milliarden Euro. Damit liegt Köln auf Platz drei hinter Paderborn (7,15 Milliarden Euro) und München-Freising (6,1 Milliarden Euro).

Blick auf den Kölner Dom / © saiko3p (shutterstock)

Jesus selber hat es gesagt: "Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen". Jetzt könnte man sagen: "Okay, das ist jetzt noch kein Gottesdienst". Er ist unter ihnen.

Aber wenn wir ins zweite Kapitel der Apostelgeschichte schauen, da heißt es ganz klar: "Tag für Tag verharrten sie einmütig im Tempel und brachen in ihren Häusern das Brot und hielten miteinander Mahl in Freude und Lauterkeit des Herzens".

Das ist vielleicht noch nicht unsere heutige Eucharistiefeier, aber man ist in Häusern zusammengekommen, um Gottesdienst zu feiern. 

DOMRADIO.DE: Bedeutet das denn, dass man den Hausgottesdienst gar nicht alleine feiern kann? 

Saberschinsky: Ganz alleine nicht. Das ist dann ein Gebet oder eine Schriftbetrachtung. Das ist sehr ehrenwert. Dagegen ist nichts einzuwenden, wenn ich alleine bin, in der Heiligen Schrift zu lesen und darüber ins Gebet zu kommen. Geistliche Schriftlesung wäre dann ein Stichwort.

Aber zu einem Gottesdienst gehört tatsächlich, dass mehrere zusammenkommen - zumindest mal ein Paar, noch besser die Kinder oder vielleicht die Großeltern dazu, vielleicht auch die Nachbarn, wie immer das Setting ist. 

DOMRADIO.DE: Was braucht man sonst noch? Braucht man einen Computer oder ein Smartphone oder wie sieht das aus?

Saberschinsky: Ja, für die Tutorials braucht man einen Computer, denn das sind Videoclips. Aber für den Gottesdienst braucht man keinen Computer. 

DOMRADIO.DE: Das heißt, die guckt man sich vorher an, nicht während des Gottesdienstes?

Saberschinsky: Ja, genau. Diese Tutorials sind eigentlich als eine Ermutigung gedacht, vielleicht auch als eine Befähigung. Wir haben sehr oft erlebt, dass Menschen fragen, wie Hausgottesdienst geht. Das trauen sich viele nicht zu. Weil sie sich in der Regel leider - eigentlich ist unser Liturgie-Verständnis ja anders - dann doch oft in der passiven Rolle erleben. Sie sind diejenigen, die in den Bänken sitzen, die Musik spielt vorne und man muss sich nur drauf einlassen. Jetzt soll man auf einmal etwas selber machen und noch Verantwortung übernehmen.

Darf man das überhaupt? Das ist die erste Frage, die Katholiken stellen. Ja, sie dürfen. Die zweite Frage ist: Kann man das? Ja, sie können.

Prof. Dr. Alexander Saberschinsky (Referent für Liturgie in der Hauptabteilung Seelsorge im Erzbischöflichen Generalvikariat in Köln)

"Wir haben mit den Tutorials versucht, die Grundstruktur ein bisschen schmackhaft zu machen und zu zeigen, wie leicht es gehen kann, um Mut zu machen."

Die Video-Tutorials wollen ganz konkret dazu Mut machen und erklären die Basics. Die schaut man sich vorher an. Da gibt es im ersten Tutorial erstmal überhaupt die Frage: Was ist Gottesdienst? Warum geht es zu Hause? Und dann wird ein Gottesdienst durchgegangen. Das erste ist, wie findet man einen passenden Bibeltext? Dann: Was macht man mit dem Bibeltext, wie kommt man darüber ins Gespräch? Das ist ein weiteres Tutorial.

Dann: Wie reagiert man darauf? Und das letzte Tutorial in diesem ersten Teil ist dann: Wie kommt man wieder gut raus aus dem Gottesdienst? Wie setzt man einen guten Schlusspunkt, um dann wieder in Alltag zu kommen?

Und dann gibt es hinterher noch ein paar Tutorials, die einzelne Aspekte vertiefen: Wie formuliert man ein Gebet? Wo findt man gute Lieder? Alles zusammen sind es zehn Tutorials, die man sich entweder durchguckt oder man greift sich einzelne Aspekte heraus, die einen interessieren und klickt dazu die einzelnen Tutorials an.

DOMRADIO.DE: Wie schafft man es denn, den doch komplexen Inhalt so rüberzubringen, dass er vernünftig rüberkommt, aber auf der anderen Seite die Leute nicht abschreckt. 

Symbolbild Hauskirche, Hausgottesdienst, Gemeinde, Kirchengebäude / © Nattapat.J (shutterstock)
Symbolbild Hauskirche, Hausgottesdienst, Gemeinde, Kirchengebäude / © Nattapat.J ( shutterstock )

Saberschinsky: Wir haben versucht, diese Gratwanderung hinzubekommen, indem wir erstmal das Grundmuster klar gemacht haben: Sich versammeln, sich von Gott ansprechen lassen, darauf gegenüber Gott zu reagieren und dann wieder den Schritt in den Alltag gehen. Das ist schon die ganze Grundstruktur.

Wenn man sich das zutraut - und es ist wirklich nicht schwer, eine Bibel zusammen lesen und dann gemeinsam beten, darüber sich austauschen, dann ins Gebet zu kommen - kann man das vertiefen.

Wir haben mit den Tutorials versucht, die Grundstruktur ein bisschen schmackhaft zu machen und zu zeigen, wie leicht es gehen kann, um Mut zu machen. Ich hoffe sehr, dass man nicht hinterher sagt: Mein Gott, ist das kompliziert. Denn mehr geht dann immer. 

DOMRADIO.DE: Wie lang sind die Tutorials? 

Saberschinsky: Es sind zehn Stück a drei, vier Minuten. Das längste, vielleicht fünf Minuten. Aber eine Sache haben Sie gerade noch gesagt: Man soll ja eigentlich wieder in die Kirche gehen. Tatsächlich. Also der Hintergrund, warum wir die Tutorials gemacht haben, war die Pandemie-Situation, der Lockdown. Man konnte gar nicht in die Kirche gehen.

Und wenn man etwas zu Hause machen wollte, konnte man sich ein Streaming-Angebot, einen Fernsehgottesdienst anschauen oder eben zu Hause selber gemeinsam feiern.

Prof. Dr. Alexander Saberschinsky (Referent für Liturgie in der Hauptabteilung Seelsorge im Erzbischöflichen Generalvikariat in Köln)

"Ein Haus-Gottesdienst soll nicht die Mitfeier der regulären Sonntags-Eucharistiefeier ersetzen. Aber wenn man das ergänzend tut, wäre sehr viel gewonnen im Hinblick auf Entwicklung von Kirche."

Braucht man das jetzt noch? Diese Diskussion wird tatsächlich geführt. Theologisch ist es eigentlich ganz klar: Ein Hausgottesdienst soll nicht die Mitfeier der regulären Sonntags-Eucharistiefeier ersetzen.

Aber wenn man das ergänzend tut, wäre sehr viel gewonnen im Hinblick auf Entwicklung von Kirche. Denn die Versammlung zu Hause ist im Grunde Kirche im Kleinen. Da sind wir wieder bei der Apostelgeschichte.

Das ist aber keine alte Kamelle, sondern das Zweite Vatikanische Konzil hat auch nochmal gesagt: Die Familie zu Hause ist Hauskirche. Dazu gehört auch, dass man zusammen betet und feiert.

Und so wäre es schön, wenn sich - vielleicht so ein bisschen erzwungen durch die Corona-Pandemie - dieser Schwung ein bisschen weiterträgt und man sich zusätzlich zum Kirchgang zu Hause zusammensetzt, zusammen betet und Gottesdienst feiert. Da wäre viel gewonnen. 

Das Interview führte Bernd Hamer.

Quelle:
DR