Die Referentin für Familienbildung in der Diözese, Katharina Döring, sagte am Dienstagabend bei einer Online-Veranstaltung, zentral sei in den Leitlinien die Aussage: "Es gibt eine Vielfalt in der sexuellen Identität und Orientierung." Ein wertschätzender Umgang mit diesen Unterschiedlichkeiten und mit Diversität solle "in den Pfarreien und Einrichtungen des Bistums aktiv gefördert werden".
Gewaltiger Unterschied
Zudem sei die Wahl der Lebensform von Menschen als Ergebnis einer persönlichen Entscheidung zu respektieren. Es sei "anzuerkennen, wenn Partnerinnen und Partner in gegenseitiger Treue und Fürsorge Verantwortung füreinander übernehmen". Döring zitierte weiter aus den Leitlinien: "Darüber hinaus begrüßen wir es, wenn Paare ihre Partnerschaft unter den Segen Gottes zu stellen wünschen."
Die neuen Leitlinien markierten einen "gewaltigen Unterschied" zur bisher vielfach praktizierten kirchlichen Haltung zur Sexualität, sagte Döring. Jeder solle damit offen umgehen können und sich in den Gemeinden damit angenommen und aufgehoben fühlen. "Wir wollen dahin kommen, dass es eine Selbstverständlichkeit wird, über seine sexuelle Orientierung zu sprechen, ohne irgendwelche Sorgen haben zu müssen", sagte Döring. "Man soll bei uns auf Menschen treffen, die sagen: Es ist gut, wie du bist."
Döring setzt die Leitlinien im Bistum um. "Die Leitlinien sind offiziell - sie sollen in Einrichtungen und Pfarreien des Bistums umgesetzt werden", sagte sie. Es handele sich um ein Arbeitspapier etwa für Familienbildungsstätten, die eigene Angebote angesichts der Leitlinien anpassen könnten.
Im 2020 vorgestellten Limburger Missbrauchsgutachten wie auch in der bundesweiten MHG-Studie von 2018 war die klassische katholische Sexualmoral als ein Risikofaktor für sexualisierte Gewalt durch Kleriker genannt worden. Die zehn Leitlinien sollen im Bistum "sexualpädagogische Kompetenz stärken und Risikofaktoren für sexualisierte Gewalt und Grenzverletzungen minimieren", so die Diözese.
"Tabuisierung von Sexualität" ein Hauptproblem
Der katholische Moraltheologe Stephan Goertz zitierte in der Veranstaltung Experten zur Missbrauchsaufarbeitung, die "Tabuisierung von Sexualität" als ein Hauptproblem benennen. Eine Tabuisierung schütze letztlich Missbrauchstäter, weil deren Sexualität dadurch ausgeblendet werde. "Sie können sich als asexuelle Männer präsentieren, die sie nicht sind, aber als die sie gelten", sagte Goertz, der stellvertretender Vorsitzender der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im Bistum Limburg ist.
Die Tabuisierung von Sexualität führe auch zu Vertuschung von Missbrauch, sagte Goertz. Würde man in der katholischen Kirche offen über Sexualität reden, könnte sichtbar werden, dass die "offiziell nach außen getragene Lehre der disziplinierten Sexualität" nicht in allen Fällen der Wirklichkeit entspreche. "Deshalb muss Kirche, wenn sie Missbrauch konsequent aufarbeiten will, an das Thema Sexualität heran - und das passiert hier im Bistum", sagte der Mainzer Professor. Man sei in einem "langfristigen Kulturwandel", der Sexualität nicht mehr als etwas Bedrohliches, sondern als etwas Bereicherndes wahrnehme.
Das Online-Gespräch hatte den Titel "Sexualität endlich im Blick: Eine neue Haltung im Bistum". Bischof des Bistums Limburg ist Georg Bätzing, der Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz ist.
Bätzing hatte zum Jahresbeginn als einer der ersten deutschen Bischöfe auch das neue kirchliche Arbeitsrecht für sein Bistum umgesetzt.