DOMRADIO.DE: Zur Finanzierung höherer Verteidigungsausgaben hat das dänische Parlament beschlossen, dass der Store bededag, der Große Gebetstag, kein arbeitsfreier Tag mehr ist. Welche Tradition hat dieser Tag im christlichen Glauben Dänemarks?
Schwester Anna Mirijam Kaschner (Generalsekretärin der Nordischen Bischofskonferenz): Der Store bededag stammt eigentlich aus der Zeit kurz nach der Reformation. Es hat vor der Reformation in der katholischen Kirche eine Reihe von Gebetstagen und Bußtagen gegeben. Man kann diesen Tag vielleicht mit dem Buß- und Bettag in Deutschland vergleichen. In der Reformation wurden dann diese Gebetstage abgeschafft, aber sie kamen in der lutherischen Kirche dann nach und nach wieder. Und dann hat 1686 der damalige Bischof von Zeeland diese ganzen Gebetstage zusammengefasst in drei verschiedene Gebetstage und einer dieser Geburtstage wurde dann mit königlichem Dekret bestätigt. Und das ist eben dieser große Bettag. Er wird jeweils am vierten Sonntag, am vierten Freitag nach Ostern gefeiert, und für die Dänen ist er ein ganz besonderer Tag. Einmal hat man natürlich ein verlängertes Wochenende.
Und zum anderen ist es aber auch so, dass eine bestimmte Tradition mit diesem Gebetstag verbunden ist. Damals durften die ganzen Stände, sprich auch die Bäcker, nicht arbeiten und deswegen haben sie am Abend vorher sogenannte Hveder gebacken. Das sind kleine Hefebrötchen, um dann am nächsten Tag am großen Bettag eben auch dieses Brot zur Verfügung zu haben. Und die Dänen kaufen also am Tag vor diesem großen Bettag diese Brötchen, erwärmen sie abends und essen sie am Abend vorher. Das ist eine ganz emotionale und große Tradition.
DOMRADIO.DE: Dänemark ist einerseits stark säkularisiert ist, aber andererseits sind die evangelische Kirche und der dänische Staat auch eng miteinander verbunden, zum Beispiel üben das Parlament und die Königin gemeinschaftlich die Leitung der Kirche aus. Ändert diese Abschaffung etwas am Verhältnis?
Kaschner: Es kam jedenfalls sehr viel Kritik und Protest, sowohl vonseiten der Kirchen, vonseiten der Gewerkschaften und natürlich auch vonseiten der Bürger. Und das hat unterschiedliche Gründe. Dänemark stand jetzt gerade kurz vor den Tarifverhandlungen, als die Nachricht kam, und dann haben die Gewerkschaften schon gesagt, 'Moment mal! Ohne mit uns darüber zu sprechen, ist das keine so tolle Idee'.
Dann von den Bürgern, die natürlich sagen, wir haben eh so wenig Zeit, mit unserer Familie zu verbringen. Man muss sich vorstellen, in Dänemark gibt es ja schon von der Kinderkrippe an bis zu den Jugendlichen die Ganztagsschulen. Das heißt, die Familien sind von morgens bis abends überhaupt nicht zusammen. Die Kinder werden erst abends, wenn die Eltern von der Arbeit kommen, abgeholt. Und von daher ist so ein langes Wochenende für viele natürlich auch noch mal so eine extra Pause.
Von den Kirchen kommt die Kritik, dass man sie im Grunde überhaupt nicht einbezogen hat in diesen Gesetzesvorschlag. Der wurde bekannt gemacht und dann gab es eine Anhörungsfrist von sieben Tagen, was sehr ungewöhnlich ist und worüber sich die lutherischen Bischöfe auch sehr drüber beschwert haben, weil sie sagen, einerseits heißt es in der Regierungserklärung, Dänemark ist ein christliches Land und auf der anderen Seite schafft man einen christlichen Feiertag ab. Also das passt jetzt hier irgendwie nicht zusammen. Dazu wird es genutzt für Rüstungsausgaben, Verteidigungsausgaben.
Wie kann man einen Gebetstag, an dem man früher in der Tradition auch für den Frieden gebetet hat, abschaffen, um die Gelder jetzt für Kriegszwecke oder Verteidigungszwecke zu nutzen? Und das hat schon sehr viele Proteste gegeben.
Also, ich war selber erstaunt, weil Dänemark ein säkularisierter Staat ist. Die Menschen gehen nicht unbedingt an diesem Tag zur Kirche, aber es werden an diesem Tag ganz viele Konfirmationen durchgeführt. Und das ist natürlich einschneidend - sowohl für die Kirche als auch für die Familien.
DOMRADIO.DE: Der Buß- und Bettag wurde damals auch bei uns als freier Tag abgeschafft, um die Pflegeversicherung zu finanzieren. Macht es einen Unterschied, ob man die Pflegeversicherung oder die Militärausgaben finanzieren lässt?
Kaschner: Zumindest im Gefühl der Bevölkerung ist es natürlich sehr viel besser, Ausgaben für eine Pflegeversicherung, die den Menschen im eigenen Land jetzt wirklich sehr dienen, zu benutzen, als dafür jetzt Waffen zu kaufen, um eventuell einen Krieg oder eben auch die Verteidigung des Landes zu finanzieren. Zumal, das sagen auch ganz viele Experten in dem Zusammenhang, man die Gelder durchaus woanders hätte herbeiholen können. Dafür hätte man jetzt nicht einen christlichen Feiertag abschaffen müssen.
Das Interview führte Elena Hong.