DOMRADIO.DE: Sie haben vor vier Jahren zum Weltfrauentag gesagt, Sie wünschen sich Chancengleichheit auf allen Ebenen der Politik und Kirche. Eine Welt, in der Frauen und Männer zu gleichen Teilen an den Rechten und Pflichten beteiligt sind. Wo stehen wir denn heute nach vier Jahren?
Mechthild Heil (Bundesvorsitzende der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands, kfd): Das wäre schön, wenn man das einfach so messen könnte. Ich hoffe, dass wir ein Stückchen weitergekommen sind. In der Gesellschaft bin ich mir sicher, da sind wir auf dem richtigen Weg. In der katholischen Kirche sehe ich es wirklich noch nicht, obwohl wir natürlich über den Synodalen Weg einige Schritte gemacht haben, zumindest in der Theorie, wenn auch noch nicht in der Praxis.
DOMRADIO.DE: Das heißt, in der katholischen Kirche herrscht auf der Ebene noch Stillstand in Ihren Augen?
Heil: Zumindest von der Amtskirche aus. Ich glaube von uns Frauen und – ich will mal so sagen – von der Ermächtigung von uns Frauen nicht. Immer mehr Frauen wird klar, dass wir uns nicht länger unseren Platz in der Kirche einfach zuweisen lassen wollen, sondern dass wir ihn selbst in Besitz nehmen müssen.
DOMRADIO.DE: Wo besteht denn der größte Nachholbedarf?
Heil: Für uns ganz klar: der Zugang zu Diensten und Ämtern. Das ist für uns eine ganz alte Forderung, man kann sagen, das fordern wir schon seit Jahrzehnten. Aber nach wie vor wird er uns verwehrt. Ich glaube, man wird uns den auch nicht geben, wenn wir nicht selbst darum kämpfen und ihn wirklich vehement einfordern.
DOMRADIO.DE: Jetzt sind aber Frauen auch in Leitungspositionen der Kirche, zum Beispiel bei der Caritas oder bei der Deutschen Bischofskonferenz. Es hat sich da zumindest doch schon ein bisschen was getan, oder nicht?
Heil: Ja, das stimmt, in den weltlichen Organisationen innerhalb der Kirche. Das stimmt, dass wir Frauen dort nun auch mehr in Leitungspositionen kommen. Aber alles, was Amtskirche ist, dort ist es natürlich noch nicht so. Das geht auch runter bis in die Ortsebenen. Mancher Priester, mancher Pastor in einer Pfarrei ordnet uns Frauen schon eindeutig dem Dienst zu, ohne uns die Freiheit zu geben, den selbst für uns zu finden, zu suchen und auszufüllen.
DOMRADIO.DE: Ab morgen startet die fünfte und auch letzte synodale Versammlung in Frankfurt und die kfd hat eine groß angelegte Aktion geplant, um auch den Forderungen nach Geschlechtergerechtigkeit Nachdruck zu verleihen; unter dem Motto "gleich und berechtigt". Was ist genau geplant?
Heil: Wir treffen uns natürlich zur Synodalversammlung in Frankfurt. Wir werden dann nicht nur demonstrieren, es kommen aus ganz Deutschland Frauen zusammen. Wir werden auch im Frankfurter Dom unter dem Titel "gleich und berechtigt" eine Messe feiern. Wir fordern, dass wir als Frauen unseren Platz einnehmen, dass wir nicht länger die Rolle und den Platz von der Amtskirche zugeordnet bekommen, sondern dass wir selbstbewusst unseren Platz einnehmen, egal wo. Aber eben genau dort, wo wir auch das Gefühl haben hinzugehören. Jeder Einzelne, ganz individuell, kann natürlich sehr unterschiedlich sein.
DOMRADIO.DE: Wie meinen Sie das konkret? Dass Frauen aufgrund des Geschlechts nicht ausgeschlossen werden sollen?
Heil: Wir fordern nicht, dass jede Frau Priesterin werden soll oder muss. Für die eine ist es genau der richtige Weg, aber für die andere nicht. Jeder von uns weiß, wo sein Weg und seine Chance und sein Charisma liegt. Dafür treten wir ein, dass wir selbst entscheiden dürfen, wo unser Platz ist und dass wir uns den Platz auch selbstbewusst nehmen und nicht warten, bis er uns zugeordnet wird.
DOMRADIO.DE: Wenn Sie sich die Kirche nun in 20 Jahren vorstellen, glauben Sie, dass dann Frauen zu Bischöfinnen geweiht oder Priesterausbildung machen werden können? Was meinen Sie?
Heil: Ich habe da große Hoffnungen, dass es soweit kommt. Aber ich sehe auch, dass wir wirklich erheblichen Widerstand haben. Traurigerweise habe ich auch das Gefühl, dass man denkt, wir deutschen Frauen, die deutschen Katholiken oder vielleicht sogar alle europäischen Katholiken seien im Sinne der Amtskirche schon verloren.
Man schaut gar nicht mehr auf unsere Bedürfnisse, sondern die Kirche denkt, wir haben Zuwachs in anderen Regionen der Welt und das reicht. Da müssen wir uns natürlich gegen wehren und sagen, es ist wichtig, dass es auch in Europa eine starke katholische Kirche gibt und da gehören wir Frauen dazu.
Das Interview führte Florian Helbig.