DOMRADIO.DE: Junge Menschen haben in unserem Land definitiv nicht alle die gleichen Chancen. Warum werden denn viele so früh abgehängt?
Dr. Stefan Ottersbach (BDKJ-Bundespräses): Dafür gibt es die unterschiedlichsten Begründungen. Ich glaube, es ist erst mal ganz wichtig wahrzunehmen, dass es tatsächlich so ist.
Wir geben gemeinsam mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Katholischer Jugendsozialarbeit alle zwei Jahre einen sogenannten Jugendarmutsmonitor heraus. Da stellen wir fest, dass das Armutsrisiko unter jungen Menschen deutlich höher ist als in der Gesamtgesellschaft.
Bis zu 25 Prozent der jungen Menschen sind von Armut gefährdet. Das sind fast zehn Prozent mehr als in der Gesamtbevölkerung. Die Gründe dafür sind vielfältig. Entscheidend ist, glaube ich, dass wir als Christinnen und Christen dem entgegentreten.
DOMRADIO.DE: Junge Menschen sind die Zukunft des Landes und unserer Gesellschaft. Das wissen wir eigentlich gerade mit Blick auf die alternde Gesellschaft. Was bedeutet es denn, wenn nicht alle in einem Boot zusammensitzen und reingeholt werden?
Ottersbach: Junge Menschen sind die Zukunft unserer Gesellschaft. Das ist richtig. Sie sind aber vor allem auch die Gegenwart. Das ist unsere Botschaft, dass es darauf ankommt, junge Menschen in ihren individuellen Stärken auch heute schon zu unterstützen. Aber nicht in dem Sinne, dass sie irgendwie gut in unserer Gesellschaft funktionieren und irgendwelche Dinge machen, die irgendwie anderen nützen.
Wir gehen davon aus, dass junge Menschen ein Recht darauf haben, ihr Leben zu leben. Das ist sozusagen der Schlüssel, dass wir herausfinden, was denn die Talente, die Stärken und die Begabungen von jungen Menschen sind. Wir wollen ihnen helfen, das zu entwickeln und das zu entfalten.
Dann wird auch das Zusammenleben insgesamt funktionieren.
DOMRADIO.DE: Welche Möglichkeiten nutzen Sie dazu?
Ottersbach: Wir sprechen ja gerade am Josefstag miteinander. Da geht es natürlich um die Einrichtungen der Jugendberufshilfe, in denen wir zum Teil Mitträger sind.
Ich war am Mittwoch beispielsweise bei der bundeszentralen Auftaktveranstaltung in einer Einrichtung, die vom Katholischen Arbeitnehmerbund und von der Christlichen Arbeiterjugend getragen wird. Diese Jugendhilfeeinrichtungen sind ganz konkrete Orte, wo junge Menschen, die beispielsweise noch keinen Schulabschluss haben, die Möglichkeit bekommen, in Ausbildung zu gelangen.
Der Übergang von Schule und Beruf ist oftmals ganz schwierig für bestimmte junge Menschen. Die katholischen Einrichtungen der Jugendberufsfelder stehen dafür, um hier ganz konkrete Angebote, auch sozialpädagogische Unterstützung zu leisten.
DOMRADIO.DE: Berufsbildende Maßnahmen sind sozusagen das eine, die Jugendpastoral, also die seelische und geistliche Begleitung, ist das andere. Welche Rolle spielt die?
Ottersbach: Es ist leider ein oft zu findendes Missverständnis, dass Jugendpastoral ausschließlich auf die seelisch-geistliche Ebene abzielt. Das steht in deutlichem Widerspruch zu dem, was die deutschen Bischöfe in den neuen jugendpastoralen Leitlinien formuliert haben.
Jugendpastoral ist ganzheitlich zu verstehen. Das heißt, auch die Einrichtungen der Jugendberufshilfe sind explizit ein jugendpastorales Angebot. Gerade wir als Christinnen und Christen sagen, Gott ist Mensch geworden und deshalb hat das reale Leben, die reale Existenz, ganz entscheidend auch etwas mit Jugendpastoral zu tun.
Das, was unsere Kolleginnen und Kollegen in den Einrichtungen tun, in der Begleitung, in der Berufsvorbereitung, auch beim Jugendwohnen zum Beispiel, ist im Sinne der deutschen Bischöfe Jugendpastoral. Das können Sie so in den jungendpastoralen Leitlinien auch nachlesen.
DOMRADIO.DE: Jetzt gibt es den Aktionstag Josefstag mit dem Motto "Garantiert! Junge Menschen brauchen Perspektive". Was findet da alles an konkreten Maßnahmen statt?
Ottersbach: Es gibt die bundeszentrale Auftaktveranstaltung, die jedes Jahr an einem anderen Ort stattfindet. Landesweit ist es so, dass sich viele Einrichtungen beteiligen und vor allem diesen Tag als Tag der offenen Tür nutzen.
Es geht darum, an diesem Tag auf unsere Arbeit aufmerksam zu machen, vor allem auch bei Entscheidungsträgerinnen und -trägern, in Kirche und in Gesellschaft.
Wir brauchen für junge Menschen, die nicht mit den besten Startchancen ins Leben kommen, strukturelle Unterstützung. Dafür sind Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger in der Gesellschaft, in der Politik und auch in der Kirche total wichtig. Sie müssen verstehen, was für wichtige Arbeit dort gemacht wird und dass junge Menschen darauf angewiesen sind, dass Entscheidungen auch strukturell richtig getroffen werden, damit junge Menschen wirklich eine Chance bekommen.
Eine ganz konkrete Maßnahme wäre zum Beispiel so etwas wie die Ausbildungsplatzgarantie, also dass alle jungen Menschen die Möglichkeit haben, eine Ausbildung zu machen. Das ist ja bei weitem nicht so.
Wir wissen aus dem Berufsbildungsbericht, dass 15 Prozent der jungen Menschen zwischen 20 und 34 keine Ausbildung haben. Das ist etwas, worauf wir eben beispielsweise an so einem Josefstag in vielen Einrichtungen hinweisen und Leute einladen, unsere Arbeit kennenzulernen.
Das Interview führte Bernd Hamer.