Wie sieht die Lage der Kirchenfinanzierung aus?

"Eine Frage der Glaubwürdigkeit"

Der Volksmund sagt, dass man über Geld nicht spricht. Wenn das Wort Kirchensteuer fällt, wird kontrovers diskutiert, genau wie bei der Finanzierung der Kirchen. Kümmern sich die Kirchen zu wenig um ihre Finanzierung?

Symbolbild Geld und Kirche / © Simone Voigt (shutterstock)
Symbolbild Geld und Kirche / © Simone Voigt ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Kümmert sich die Kirche in Deutschland zu viel oder zu wenig um die Frage ihrer Finanzierung? Was würden Sie sagen?

Ursula Nothelle-Wildfeuer / © Harald Oppitz (KNA)
Ursula Nothelle-Wildfeuer / © Harald Oppitz ( KNA )

Ursula Nothelle-Wildfeuer (Theologin und Professorin für Praktische Theologie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg): Das ist eine ganz schwierige Frage. Es geht an unterschiedlichen Stellen oft um die Frage nach dem Geld, nach den Finanzen, sodass auf der einen Seite viele Menschen in der Kirche mit Recht den Eindruck haben, es dreht sich eigentlich letztlich alles nur ums Geld.

Auf der anderen Seite haben die gleichen Menschen wahrscheinlich den Eindruck und auch das kann ich sehr gut nachvollziehen, dass an den entscheidenden Stellen viel zu wenig nachgedacht wird. Wie werden Schwerpunkte gesetzt? Welche Bereiche müssen in besonderer Weise finanziert und vielleicht sogar stärker finanziert werden als bisher?

DOMRADIO.DE: Geld ist ein Mittel zum Zweck und kein Selbstzweck. Muss die Kirche wieder lernen, sich mehr auch um die Menschen zu kümmern? Das hört sich ein bisschen so an.

Nothelle-Wildfeuer: Ich würde das auf jeden Fall so sagen. Ich glaube das mit der Schwerpunktsetzung in den Bereichen, die finanziert werden, deutlich wird, um was es tatsächlich geht. Wenn, was ich nach dem Evangelium für das Entscheidende halte, die Menschen im Mittelpunkt stehen sollen, dann glaube ich, würde sich an verschiedenen Stellen die Finanzierung ändern und die Debatte um die Frage nach dem Geld auch ändern.

DOMRADIO.DE: Wofür finanzieren wir als Gesellschaft denn eigentlich die Kirche?

Nothelle-Wildfeuer: Das finde ich schon ganz schwierig zu sagen: "Die Gesellschaft finanziert die Kirche." Ich glaube, dass beide Kirchen mit Caritas und Diakonie einen großen Bereich haben, in dem sie einen wichtigen Gemeinwohlbeitrag leisten. Da gibt es aber einen unterschiedlich noch mal auszuhandelnden großen Bereich, der refinanziert wird.

Der Politikwissenschaftler Carsten Frerk hat dann auch von einer Caritas-Legende gesprochen. Also es gibt den Vorwurf, dass die Kirchen behaupten, das sei der Bereich, in dem sie ihre Nächstenliebe üben, aber eigentlich würde das ja der Staat finanzieren. Ja, der Staat finanziert da etwas, aber er finanziert damit nicht die Kirchen, sondern die Kirchen leisten einen Beitrag zu dem, was eigentlich Aufgabe des Staates ist und wo der Staat aber sagt, das können Einrichtungen, Institutionen, die näher bei den Menschen sind - und das Bild hat die Kirche immer noch - sehr viel besser als der Staat das kann. Darum, glaube ich, ist das ein wichtiger Punkt und betrifft gar nicht nur die kirchlichen Bereiche, sondern auch wenn sich eine Privatinitiative finden würde - und findet sich ja beispielsweise im Bereich von Kitas oder so auch häufig - dann ist diese Refinanzierung prinzipiell zumindest genauso angesagt, wie wenn es um die Kirchen geht.

DOMRADIO.DE: Jetzt kommt die Herausforderung für die Kirche. Auf der einen Seite Austritte, die geplante Abschaffung der sogenannten Staatsleistungen auf der anderen Seite. Welche Risiken kommen damit auf die Kirche zu?

Nothelle-Wildfeuer: Das ist sehr risikoreich, weil natürlich auch wenn Papst Franziskus davon spricht, dass er sich eine arme Kirche für die Armen wünscht, diese arme Kirche für die Armen doch Geld braucht, um auch so zentrale Dinge wie karitative Tätigkeiten zu finanzieren. Auch wenn das nur ein minimaler Beitrag in der Gesamtfinanzierung zu sein scheint, ist es doch ein, wenn man es absolut sieht, durchaus wichtiger Posten. Das heißt, diese Felder müssen natürlich nach wie vor berücksichtigt werden.

Trotzdem ist die Frage der Staatsleistungen und ihrer Ablösungen auch eine Frage der Glaubwürdigkeit. Ich denke, dass dieses ganze Geld-Thema eine Frage der Glaubwürdigkeit der Kirche ist. Das hat Franziskus mit seinem Wort von der armen Kirche glaube ich auch sehr deutlich gemacht. Die Ablösung ist keine einfache Geschichte, ich glaube, das werden ganz schwierige Verhandlungen. Nicht, weil man vielleicht sagen könnte, die Kirchen stellen sich quer. Die Kirchen wissen darum, dass es notwendig ist. Aber wie das geschehen kann, ist natürlich problematisch.

Ursula Nothelle-Wildfeuer (Theologin und Professorin für Praktische Theologie)

"Trotzdem ist die Frage der Staatsleistungen und ihrer Ablösungen auch eine Frage der Glaubwürdigkeit."

Ein Wort noch zu den Steuern. Die Steuern werden nominal noch ein bisschen steigen, im Moment durch die Zinsentwicklung, die Entwicklung der Gehälter und so weiter, aber real wird das deutlich spürbar werden, dass die Steuern sinken. Ich hoffe, dass die Kirche diese Sprache versteht. Die Menschen verlassen die Kirche nicht, weil sie nicht mehr glauben, sondern weil sie, um es mal zugespitzt zu sagen, ihren Glauben retten wollen, was ihnen in dieser so strukturierten Kirche nicht mehr möglich ist. Das heißt, es wäre Aufgabe der Kirche, sich um tatsächliche Reformen zu bemühen, wie sie der Synodale Weg etwa ja angegangen ist.

DOMRADIO.DE: Welche Chancen können sich aus dem Thema der Finanzierung ergeben?

Nothelle-Wildfeuer: Das wäre die Chance, dass man sich tatsächlich besinnt auf eine Gestalt von Kirche, die dem Evangelium gemäßer wird. Die Kirche sollte den Menschen nahe sein, also sollte tatsächlich wieder nach Strukturen, nach einer Gestalt von Kirche suchen, die dem Evangelium gemäß ist und die es möglich macht, tatsächlich den Glauben zu leben. Und das unter neuen Bedingungen. Wir werden das Rad nicht zurückdrehen können und eine Volkskirche wie in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts wieder entwickeln können, sondern das muss unter neuen Bedingungen geschehen. Aber die Chancen sind da.

Das Interview führte Katharina Geiger.

Kirchenfinanzen in Deutschland

In Deutschland haben die Kirchen das in der Verfassung verankerte Recht, von ihren Mitgliedern Abgaben (Kirchensteuern) zu erheben. Diese Steuer ist die wichtigste Finanzquelle zur Wahrnehmung kirchlicher Aufgaben in Seelsorge, Bildung und Sozialwesen. Die Höhe richtet sich in der Regel nach der Einkommenssteuer. Die Kirchensteuer wird vom Staat eingezogen; er erhält dafür rund drei Prozent des Gesamtaufkommens.

Was macht die Kirche mit den Kirchensteuern? / © Grzegorz Zdziarski (shutterstock)
Was macht die Kirche mit den Kirchensteuern? / © Grzegorz Zdziarski ( shutterstock )
Quelle:
DR