DOMRADIO.DE: Ihnen ist die Idee zu diesem Buch gekommen, weil Sie jemand nach einem sogenannten "Elevator Pitch", also einem kurzen, überzeugen Plädoyer, gefragt hat. Wie sieht Ihr "Elevator Pitch" für den christlichen Glauben aus?
Weihbischof Dominikus Schwaderlapp (Weihbischof im Erzbistum Köln): Es gibt fünf Punkte, die ich mal die "Big 5" genannt habe. Den Begriff habe ich abgeleitet. Wenn man auf Safari geht, möchte man die großen Tiere sehen. Das sind die sogenannten "Big 5", die in dem Kontext immer erwähnt werden. Damit hat man zwar nicht alles gesehen, aber doch einiges und Entscheidendes.
Mir geht es um die Kernaussagen unserer Botschaft, die ich auch in fünf Punkten zusammengefasst habe.
Zunächst ist Gott der Schöpfer, der die Welt erschaffen hat, aber die Welt nicht allein lässt, der auch Mensch geworden ist, zu nennen.
Dann Jesus Christus, der eine persönliche Freundschaft sucht.
Dann der Begleiter, der mit uns durchs Leben geht. Da sind die Sakramente von entscheidender Bedeutung.
Ferner die Gemeinschaft, in die wir als Christen hinein berufen sind. Wir stärken und helfen einander im Glauben und im Leben.
Und zu Schluss die Erfüllung, dass es nach dieser Erde einen Himmel gibt, auf den wir hin zusteuern.
Das sind die fünf großen Themen, die ich versuche, etwas darzulegen. Am Anfang stand tatsächlich dieser "Elevator Pitch" mit diesen fünf kurzen Thesen. Ich habe das immer wieder auch in Kurzkatechsen, mit jungen Leuten, mit Firmlingen verwendet, wo ich fünf Minuten Zeit hatte, etwas über den Glauben zu sagen.
Daraus ist die Idee erwachsen, das auszuweiten und so jeden der fünf Punkte noch mal in zehn Unterpunkte aufzugreifen, die das Ganze erklären, erläutern und vertiefen.
DOMRADIO.DE: Schöpfer, Begleiter, Freund. Damit ist relativ offensichtlich Gott gemeint. Aber wie kommen Sie darauf, dass Gott Erfüllung und Gemeinschaft ist? Das ist ein abstrakter Gedanke.
Schwaderlapp: Jede Gemeinschaft fließt aus Gott, der in sich Gemeinschaft ist. Wir glauben an einen dreifaltigen Gott, Gemeinschaft aus Vater, Sohn und Heiliger Geist. Diese innere göttliche Gemeinschaft spiegelt sich auch im menschlichen Leben wider. Wir sind Abbilder Gottes und tragen auch in uns die Sehnsucht nach Gemeinschaft, die für uns wesentlich ist. Kein Mensch kann für sich allein als Monade leben, als einsamer Fels in der Brandung. Wir brauchen einander.
Die Kirche hat da natürlich eine wichtige Bedeutung. Christus hat die Gemeinschaft der Glaubenden gegründet, um eine Gemeinschaft zu erschaffen, die von der Inspiration des Heiligen Geistes getragen ist. Der Heilige Geist erhellt und bewahrt uns die Botschaft Christi über die Zeiten hinweg. Christus ist von den Toten auferstanden. Er hat versprochen, uns einen Platz im Himmel vorzubereiten. Und er wird wiederkommen, um alles zu vollenden. Das ist die Erfüllung. Diese Punkte sind ein Kernbereich unserer Botschaft.
DOMRADIO.DE: Krisen und Skandale sind für uns als Kirche leider an der Tagesordnung. Sie sagen aber, Sie können nicht anders als diese Kirche zu lieben. Das hat nicht unbedingt nur mit den Menschen in der Kirche zu tun, sondern mit dem, was dahinter steckt, was sie symbolisiert. Können Sie das ausführen?
Schwaderlapp: Die Krisen in der Kirche, das Versagen der Vertreter der Kirche, der Bischöfe, Priester und anderer, die Tatsache, dass wir alle Sünder sind, ist bedrückend. Es gibt genügend Beispiele, wo ich verstehe, dass Leute über die Krisen irre werden.
Mich fasziniert der Gedanke, dass Gott dennoch – wohlwissend, dass der Mensch hinfällig, schwach und ein Versucher ist – sein großes Projekt "Aufrichtung des Reiches Gottes" an Menschen bindet. Er hätte es viel leichter selbst machen können.
Es wäre viel leichter, direkt von oben herab Ihnen und mir zu sagen, worum es geht und wo es langgeht. Aber er sucht immer menschliche Werkzeuge, Instrumente durch alle Zeiten hindurch.
Es ist faszinierend für mich, dass Gott an der Menschheit festhält und dass er sich dennoch an uns bindet. Ich bin dankbar. Manchmal lässt mich das auch erzittern, dass Gott mich dennoch ruft, da mitzuwirken.
DOMRADIO.DE: "Die Big 5 des Glaubens" haben Sie Ihr Buch genannt. Sie haben selbst ein Jahr in Kenia verbracht. Hat das Ihren Zugang zu diesen fünf Aspekten und zum Glauben verändert?
Schwaderlapp: Meine Zeit in Kenia war für mich ein großes Geschenk. Den größten Teil konnte ich dort in der Pfarrei verbringen und Seelsorge machen. Ich habe in einem kleineren Caritas-Team der Diözese gearbeitet. Mich hat der unmittelbare Kontakt zu den Menschen, die andere Art und Weise, dort Priester sein zu können, sehr berührt.
Wenn ich mich da vor das Pfarrhaus gesetzt habe und wollte vielleicht etwas lesen, dann hat es nicht lange gedauert bis Menschen kamen und irgendein Anliegen hatten. Manchmal war es nur etwas Banales und dann wurde auch etwas Tieferes daraus.
Wie stark das Fundament des Gottvertrauen ist, ist mir da vielfach bewusst geworden. Viele Menschen, die an den banalen Dingen ihres Lebens laborieren und heute nicht wissen, was sie morgen auf den Tisch bringen sollen, haben mir so oft gesagt: "Don't worry, I'm in the hands of the Lord" – Machen Sie sich keine Sorgen, ich bin in den Händen Gottes.
Dieses Gottvertrauen, was aus einer tiefen Frömmigkeit erwächst, aber auch dieses selbstverständliche füreinander Einstehen hat mich beeindruckt.
Wenn zum Beispiel kein Geld für eine Beerdigung da ist, werden bei der Nachbarschaft oder Vereinen für den Betreffenden gesammelt. Das hat meinen Blick auf die materiellen Güter doch sehr verändert.
Was brauche ich eigentlich wirklich, um froh und glücklich zu sein? Und wie sehr binde ich mich an manche Güter, bei denen ich meine, ich müsste sie haben, die ich aber eigentlich nicht brauche.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.