Papst Franziskus erinnert EVP-Fraktion an europäische Werte

Seele und Vision statt nur Verwaltung

Papst Franziskus hat von der Klinik aus an die in Rom versammelten Mitglieder der christdemokratischen EVP-Fraktion des EU-Parlaments appelliert. Dabei betonte er den Wert von Traditionen und Kulturen und des Christentums für Europa.

EU-Fahnen in Brüssel / © Thierry Monasse (dpa)
EU-Fahnen in Brüssel / © Thierry Monasse ( dpa )

In dem am Sonntag vom vatikanischen Presseamt veröffentlichten Brief ruft der Papst die Mitglieder der EVP-Gruppe auf, dort einig zu sein, wo es um grundlegende ethische Prinzipien und um die christliche Soziallehre gehe.

Evangelium und christliche Soziallehre als Fixpunkte

Papst Franziskus empfängt Manfred Weber, Fraktionsvorsitzender der Europäischen Volkspartei im Europäischen Parlament, am 18. März 2022 im Vatikan. / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus empfängt Manfred Weber, Fraktionsvorsitzender der Europäischen Volkspartei im Europäischen Parlament, am 18. März 2022 im Vatikan. / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

Christliche Politiker müssten stets "opportunistische Lösungen ablehnen und an den Prinzipien der Würde der Person und des Gemeinwohls festhalten", schreibt Franziskus und fügt hinzu: "Das Evangelium soll euer Orientierungspunkt sein und die christliche Soziallehre euer Kompass."

Katholische Soziallehre

Die katholische Soziallehre ist die Soziallehre der katholischen Kirche. Sie ist historisch eng mit dem päpstlichen Lehramt, insbesondere den Sozialenzykliken, verknüpft. Obwohl die Kirche seit ihren Anfängen zur sittlichen Gestaltung des sozialen Lebens Stellung bezog und in der Scholastik die naturrechtlichen Grundlagen ihres Menschen- und Gesellschaftsbildes entwickelte, ist ihre Soziallehre im engeren Sinne ein Produkt des 19. Jahrhunderts mit seinen sozialen Spannungen und den konkurrierenden Ideologien des Liberalismus und Sozialismus.

Artikel-ID: 2117682383
HERTEN, DEUTSCHLAND - 3. MÄRZ 2021: Ewald Pit, Industrieerbe der Ruhrmetropole am 3. März 2021 in Herten, Deutschland / © alfotokunst (shutterstock)
Artikel-ID: 2117682383 HERTEN, DEUTSCHLAND - 3. MÄRZ 2021: Ewald Pit, Industrieerbe der Ruhrmetropole am 3. März 2021 in Herten, Deutschland / © alfotokunst ( shutterstock )

Die EVP-Fraktion unter Vorsitz des deutschen EU-Abgeordneten Manfred Weber (CSU) hielt sich ab Donnerstag zu mehrtägigen Beratungen und Treffen in Rom und im Vatikan auf.

Das Papstschreiben trägt das Datum 9. Juni (Freitag).

Vision von europäischer Einheit in Verschiedenheit

Franziskus empfiehlt den Politikern eine Vision von Europa, die Einheit und Verschiedenheit zusammenhält.

So wie er es unlängst in Ungarn betont habe, müsse Europa die unterschiedlichen Kulturen und den Reichtum seiner verschiedenen Traditionen wertschätzen.

Die EU-Institutionen und ihre politischen und kulturellen Initiativen müssten dafür sorgen, dass "dieses sehr bunte Mosaik zusammenhängende Formen ergibt".

Gute Verwaltung kann Vision und Seele nicht ersetzen

Dafür brauche es eine gemeinsame Seele und eine weitreichende politische Vision, so der Papst.

Eine gute Verwaltung sei wichtig; doch sie allein reiche nicht aus für ein Europa, das im 21. Jahrhundert vor großen Herausforderungen stehe.

Grundlage dieser Vision müsse neben dem Erbe der europäischen Gründerväter die Idee von Geschwisterlichkeit sein, die alle Menschen umfasse.

Die ursprüngliche Inspiration Europas neu beleben

Das Projekt Europa müsse daher auch mit Blick auf die weltweiten Entwicklungen gedacht werden. Dazu zählten die Herausforderung Migration und die Sorge für den Planeten Erde.

Wenn es gelinge, die ursprüngliche Inspiration Europas neu zu beleben, könne sie darüber hinaus für die gesamte Menschheitsfamilie fruchtbar werden.

Was ist europäisches Kulturerbe?

Kulturerbe wird vom Duden beschrieben als "überliefertes Kulturgut einer Gemeinschaft, eines Volkes". Es kann ein Gebäude oder eine Landschaft sein, genauso gut wie ein Märchen, ein Brauch, Handwerkstechniken, Musik oder Tanz. Wichtig ist: Kulturerbe hat einen identitätsstiftenden Charakter. Die französische Professorin für Humangeographie Maria Gravari-Barbas nennt es "Zement der Identität".

Weltkulturerbe Insel Reichenau Bild: Blick auf das südliche Ufer der Insel mit der Kirche Sankt Georg in Oberzell.  / © Harald Oppitz (KNA)
Weltkulturerbe Insel Reichenau Bild: Blick auf das südliche Ufer der Insel mit der Kirche Sankt Georg in Oberzell. / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA