"Ich bin nur ein gewöhnlicher Inder aus Manipur, der im Ruhestand lebt", twittert der pensionierte Generalleutnant Laiphrakpam Nishikanta Singh.
Vorwurf der Gesetzlosigkeit im Gebiet
Doch in dem Bundesstaat herrsche nun Gesetzlosigkeit: "Leben und Eigentum können jederzeit von jedem zerstört werden, genau wie in Libyen, Libanon, Nigeria, Syrien", so der Ex-Militär über die Lage in Manipur.
Das bestätigt General Ved Prakash Malik, ehemaliger Chef der indischen Armee. Er warnt via Twitter, die Situation verlange "dringende Beachtung von höchster Stelle".
Gemeint sind Premierminister Narendra Modi, Verteidigungsminister Rajnath Singh und Innenminister Amit Shah, allesamt von der hindunationalistischen Indischen Volkspartei (BJP).
Protest gegen Stammesprivilegien war Auslöser
Auslöser des Konflikts war Anfang Mai ein Protest der christlichen Kuki-Minderheit gegen die Empfehlung, den wirtschaftlich und politisch dominierenden Meitei den Status "Gelisteter Stamm" zuzuerkennen.
Als "Scheduled Tribe" hätten die Meitei Anspruch auf politische und wirtschaftliche Privilegien wie auch auf Land, Wälder und umfangreiche natürliche Ressourcen der baptistischen, evangelikalen und katholischen Kuki.
Mehr als 100 Menschen kamen bislang ums Leben, über 400 wurden verletzt. Tausende Häuser von Kuki, darunter rund 250 Kirchen, wurden durch Brandstiftung beschädigt oder zerstört.
Kinder, Frauen und Alte gefährdet
Fast 60.000 Menschen flohen vor der Gewalt und sind derzeit in 300 Lagern untergebracht. Der Direktor der indischen Caritas machte sich in der vergangenen Woche in Manipur ein Bild der Lage.
"Die Menschen leiden schwere Not. Die Situation ist besonders für Kinder, Frauen und Alte schmerzlich", berichtet Pater Paul Moonjely telefonisch aus Neu Delhi der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Die Caritas unterstütze die Behörden bei der humanitären Hilfe für die Vertriebenen und habe bislang in den Lagern in Manipur sowie im benachbarten Mizoram 14.000 Menschen mit Lebensmitteln, Hygieneartikeln und sauberem Wasser versorgt.
Caritas unterstützt humanitäre Hilfe in der Region
Caritas international aus Deutschland unterstützt die humanitäre Hilfe vor Ort mit 50.000 Euro, wie die Pressestelle am Freitag mitteilte.
Ein zweites Hilfspaket mit einem Schwerpunkt auf die ethnischen Vertreibungen werde einen Umfang von 100.000 Euro haben.
Humanitäre Hilfe ist aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Eine Lösung des schon lange vor der aktuellen Gewalt schwelenden Konflikts ist nicht in Sicht.
Meitei-Gruppen riefen zur "Auslöschung" der Kuki auf
Bereits im April hatten militante Meitei-Gruppen zur "Auslöschung" der Kuki aufgerufen, ohne dass Indiens Zentralregierung oder die ebenfalls hindunationalistische Regionalregierung von Manipur eingeschritten wären.
Kürzlich machten mehr als 550 zivilgesellschaftliche Gruppen die BJP, Premier Modi sowie den BJP-Chefminister von Manipur Nongthombam Biren Singh für die gegenwärtige Krise verantwortlich.
Die Hindu-Partei, so hieß es, verschärfe vorsätzlich die historischen Spannungen zwischen den Meitei und den anderen Volksgruppen. Das sieht auch der für seine offenen Worte bekannte Jesuit und Menschenrechtler Cedric Prakash so.
Katholiken empört über Schweigen der Bischofskonferenz
Premier Modi strebe bei der Parlamentswahl 2024 eine dritte Amtszeit an. Um die hinduistischen Wähler bei der Stange zu halten, fördere er Hass und Gewalt gegen religiöse Minderheiten, so Prakash telefonisch aus Ahmedabad.
Katholiken sind zudem empört über das Schweigen der katholischen Indischen Bischofskonferenz.
"Es schmerzt uns, dass die Führung der katholischen Kirche keine ausreichende prophetische, prompte und entscheidende Rolle dabei spielt, die Gewalt zu bekämpfen und das enorme Leid der Menschen in Manipur zu lindern", erklärte am Donnerstag die Vereinigung der katholischen Journalisten Indiens.
Bischöfe wollen laut Prakash wohl keine Angriffsfläche bieten
Der Jesuit Prakash differenziert: Einzelne Bischöfe hätten sich zu Manipur geäußert. Doch die Bischofskonferenz schweige; vermutlich, um angesichts der Verwicklung mancher Bischöfe in Immobilien- und Finanzskandale keine Angriffsfläche zu bieten.
Die Fronten in Manipur sind verhärtet. Eine Rückkehr der Vertriebenen in ihre Heimat und der Wiederaufbau ihres Lebens sind einstweilen nicht möglich.