Rheinische Kirche kritisiert Bruch von Kirchenasyl

In Pfarrgemeinde festgenommen, jetzt in Abschiebehaftanstalt

Die rheinische Kirche wirft dem Viersener Ausländeramt den "gewaltsamen Bruch" eines Kirchenasyls vor. Ein aus dem Irak stammendes kurdisches Ehepaar wurde in einer Kirchengemeinde in Nettetal festgenommen.

Einem kurdischen Ehepaar droht, trotz Kirchenasyl, die Abschiebung. / © Julian Stratenschulte (dpa)
Einem kurdischen Ehepaar droht, trotz Kirchenasyl, die Abschiebung. / © Julian Stratenschulte ( dpa )

Es soll nach Polen überstellt werden. "Wir sind über das Vorgehen erschüttert und protestieren gegen diesen gewaltsamen Bruch des Kirchenasyls", schrieb die Leiterin der Abteilung Theologie und Ökumene, Oberkirchenrätin Wiebke Janssen, in einem am Donnerstag veröffentlichten Brief an den Viersener Landrat Andreas Coenen (CDU). Das Ökumenische Netzwerk "Asyl in der Kirche NRW" sprach von einer "roten Linie" die überschritten worden sei.

Das aus dem Irak stammende (43 und 34 Jahre alt) war nach Angaben der rheinischen Landeskirche am frühen Morgen des 10. Juli während einer unangekündigten Hausdurchsuchung in den Räumen der evangelischen Kirchengemeinde Lobberich/Hinsbeck festgenommen worden. Der anschließende Versuch, das Paar vom Flughafen Düsseldorf nach Polen zu überstellen, wurde laut dem Ökumenischen Netzwerk "Asyl in der Kirche NRW" von der Bundespolizei abgebrochen, weil die Frau einen Zusammenbruch erlitten hatte. Die Stadt Viersen erklärte auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes, "entsprechende gerichtliche Entscheidungen" für das Vorgehen der Behörde lägen vor.

Pfarrerin Elke Langer von der betroffenen Kirchengemeinde äußerte sich erschüttert. "Wir haben das Kirchenasyl aus humanitären Gründen gewährt - ein solcher repressiver Abschiebungsversuch zweier traumatisierter Menschen ist ein Skandal", sagte sie.

Das Paar befindet sich, nach Angaben der Stadt Viersen, nun in der Abschiebehaftanstalt Darmstadt. Die beiden seien 2021 aus dem Irak geflohen und lebten seit Ende Mai 2023 im Kirchenasyl, erklärte die Evangelische Kirche im Rheinland. Zuvor hatten die beiden in Polen in einem geschlossenen Lager über einen längeren Zeitraum gelebt und stünden seitdem unter "massivem psychischem Druck", wie das Kirchenasyl-Netzwerk und Abschiebungsreporting NRW mitteilte.

"Das seit 2023 bestehende Kirchenasyl sollte grundlegende Rechte des kurdischen Ehepaars schützen, wie eine adäquate psychosoziale Unterstützung, medizinische Versorgung und eine menschliche Unterbringung. Den Zugang hierzu hätten beide Personen nicht durch eine sogenannte Dublin-Überstellung nach Polen", erklärte Benedikt Kern, Theologe und Mitarbeiter im Ökumenischen Netzwerk, das das Kirchenasyl begleitet hat.

Gewaltsame Räumungen von Kirchenasylen sind nach Angaben des Netzwerks und des Abschiebungsreportings NRW ungewöhnlich, da die Behörden den Schutzraum für Flüchtlinge in Kirchengemeinden in der Regel respektieren. In NRW gibt es aktuell rund 140 laufende Kirchenasyle. Im vergangenen Jahr hätten rund 98 Prozent der Fälle mit einer Bleibeperspektive für die Betroffenen beendet werden können.

Nach Ansicht der Oberkirchenrätin Janssen verstößt das Vorgehen der Ausländerbehörde gegen Absprachen zum Kirchenasyl. "Die Art und Weise des Vorgehens der Ausländerbehörde ignoriert alle Vereinbarungen zwischen der Evangelischen Kirche und dem Land NRW im Zusammenhang mit Kirchenasylen", schrieb sie. Vor dem unangekündigten Bruch des Kirchenasyls durch die Ausländerbehörde habe es keine Kommunikation in der Sache oder Versuche seitens der Behörde gegeben, eine andere Lösung für die Situation zu finden. "Genau das ist in konflikthaften Situationen aber bewährte Praxis und mit dem Land NRW so vereinbart", betonte sie.

Kirchengemeinden gewährten Schutzsuchenden Asyl nach reiflicher Prüfung des Sachverhalts, erklärte die Oberkirchenrätin. Auch in diesem Fall habe es gewichtige Gründe gegeben, die die Kirchengemeinde bewogen hätten, dem Ehepaar Kirchenasyl zu gewähren.    

Bei einem Kirchenasyl gewährt eine Kirchengemeinde von Abschiebung bedrohten Flüchtlingen einen zeitlich befristeten Schutz. Ziel ist es, eine erneute sorgfältige Prüfung ihrer Situation durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu erreichen. Der Staat toleriert das Kirchenasyl, allerdings kann er von seinem Zugriffsrecht Gebrauch machen, um Betroffene abzuschieben.    

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche weiß nach eigenen Angaben zurzeit von 425 aktiven Kirchenasylen mit mindestens 685 Personen, davon sind etwa 156 Kinder. Im Jahr 2023 wurden demnach bereits 232 Kirchenasyle beendet.

Die Stadtverwaltung Viersen erklärte auf epd-Anfrage, dass es in dem Verfahren nicht um eine Abschiebung gehe, sondern eine erneute Überstellung nach Dublin-III-Verordnung der EU nach Polen geplant sei. In diesem sicheren Drittstaat sei über das Asylverfahren zu entscheiden.

Kirchenasyl

Beim sogenannten Kirchenasyl nehmen Gemeinden oder Ordensgemeinschaften vorübergehend Asylbewerber auf, um eine Abschiebung abzuwenden, weil diese für den Flüchtling eine Bedrohung an Leib und Leben darstellt. Schon aus dem vierten Jahrhundert ist bekannt, dass Flüchtlinge in Kirchen Schutz suchten.

Ein Schlafsack und ein Rucksack liegen auf einer Kirchenbank. Im Hintergrund steht ein Zelt. / © Harald Oppitz (KNA)
Ein Schlafsack und ein Rucksack liegen auf einer Kirchenbank. Im Hintergrund steht ein Zelt. / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
epd