Beim Camp-David-Abkommen blieb der Vatikan außen vor

Jimmy Carters Friedensmission 

Der Heilige Stuhl reklamiert den Friedensprozess im Nahen Osten als ein diplomatisches Kernanliegen. Aber den Coup des Abkommens zwischen Israel und Ägypten schaffte US-Präsident Carter ganz ohne den Papst.

Autor/in:
Burkhard Jürgens
Die Flagge Israels vor der Klagemauer / © Botond Horvath (shutterstock)
Die Flagge Israels vor der Klagemauer / © Botond Horvath ( shutterstock )

Im politischen Leben Jimmy Carters zählt das Camp-David-Abkommen von 1978 zu den Errungenschaften, die das Beiwort "historisch" verdienen: Nach zwölf Tagen schwieriger, teils dramatischer Verhandlungen in der Ferienanlage des US-Präsidenten einigten sich Israels Ministerpräsident Menachem Begin und Ägyptens Präsident Anwar as-Sadat am 17. September auf Rahmenbedingungen für einen Rückzug Israels vom Sinai und einen Friedensschluss zwischen den beiden Staaten.

Jimmy Carter (2016) / © John Bazemore (dpa)
Jimmy Carter (2016) / © John Bazemore ( dpa )

Vorausgegangen waren über ein Jahr Sondierungen und Vermittlungen Carters. Das Abkommen sollte den Grundstein legen für einen dauerhaften Frieden im Nahen Osten – der allerdings schwieriger aufzubauen war als erhofft.

Vatikan will Verhältnis zu Juden neu bestimmen 

An sich hätte der Vatikan allen Grund gehabt, sich an dem Prozess zu beteiligen – abgesehen davon, dass die Vorbereitungen in höchster Diskretion verliefen. Der Friede im Nahen Osten nahm keinen unbedeutenden Rang in der diplomatischen Agenda des Heiligen Stuhls ein: Johannes XXIII. (1958-1963) und sein Nachfolger Paul VI. (1963-1978) hatten sich angesichts des Holocaust zu einer Neubestimmung des Verhältnisses zu den Juden entschlossen; Ausdruck dessen war die Erklärung "Nostra aetate", die das Zweite Vatikanische Konzil 1965 verabschiedete.

Die Kirche hatte auch ein starkes Interesse, angestammte Zugangs- und Besitzrechte in Jerusalem für Christen und andere Religionsgemeinschaften abzusichern. Und nicht zuletzt waren Christen in Israel und den besetzten Gebieten hauptsächlich Palästinenser; das machte die Klärung ihres Status und ihrer Rechte gegenüber Israel dringlich.

Papst Paul VI. am 29. Juni 1968 / © CNS photo (KNA)
Papst Paul VI. am 29. Juni 1968 / © CNS photo ( KNA )

Friedensappelle 

Dementsprechend begleitete Paul VI. schon den Sechstagekrieg 1967 und die folgenden Jahre des israelisch-arabischen Konflikts mit Friedensappellen und Stellungnahmen seiner diplomatischen Vertreter. Der "Notlage der Kirche im Heiligen Land" widmete er 1974 ein eigenes Schreiben. Es gab auch politische Pannen wie die Beteiligung an der Palästina-Erklärung der christlich-muslimischen Konferenz unter Schirmherrschaft des libyschen Machthabers Muammar al-Ghaddafi 1976 in Tripolis.

Aber als im Dezember 1977 in Kairo an einer Wiederaufnahme der Genfer Friedensverhandlungen zwischen Israel und den arabischen Staaten gearbeitet wurde, schickte der Papst eine Beobachterdelegation und eine Botschaft. Der "Osservatore Romano", die halbamtliche Vatikanzeitung, druckte im Vorfeld des Vorbereitungstreffens die Reden Sadats und Begins, welche die beiden kurz zuvor bei dem Besuch des ägyptischen Staatschefs in Jerusalem gehalten hatten.

Hüter der heiligen Stätten 

Noch im Frühjahr 1978 empfing Paul VI. Israels Außenminister Mosche Dayan sowie – zu wiederholten Malen – Sadat und den jordanischen König Hussein, der als Hüter der heiligen Stätten in Jerusalem eine Schlüsselrolle im Friedensprozess spielte. Seinen Gesprächspartnern legte er ans Herz, den Palästinensern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen und Jerusalem als Begegnungsort für Juden, Christen und Muslime zu bewahren. Vor einer diplomatischen Anerkennung Israels wollte der Papst allerdings die Interessen der Christen im Heiligen Land garantiert sehen.

Neuer Papst ohne diplomatische Erfahrung

Während dieser Monate liefen bereits die Vorbereitungen für Camp David. Am 6. August, einen Monat vor dem Treffen, starb Paul VI. Sein Nachfolger Albino Luciano mit dem Amtsnamen Johannes Paul I. besaß keinerlei diplomatische Erfahrung. In einer Stellungnahme zum Beginn der Camp-David-Gespräche nannte er neben dem "Problem der Palästinenser" und der Jerusalem-Frage aber ausdrücklich auch "die Sicherheit Israels" als Anliegen.

Papst Johannes Paul I. (dpa)
Papst Johannes Paul I. / ( dpa )

Wenige Tage später äußerte er sich "sehr bewegt von der Tatsache, dass die drei Präsidenten öffentlich ihre Hoffnung auf den Herrn im Gebet ausgedrückt haben" – der Baptist Carter, der Jude Begin und der Muslim Sadat. Diese seelsorglich geprägte und nicht typisch diplomatische Redeweise gab dem neuen Papst, wie die Theologin Ulrike Koltermann in ihrer Dissertation schreibt, eine "bislang unbekannte persönliche Note" – und weckte auf israelischer wie palästinensischer Seite Hoffnung auf frischen Wind.

Friedensprozess nicht abgeschlossen 

Johannes Paul I. starb jedoch nach nur 33 Tagen – zu kurz im Amt, um den Impuls von Camp David im Vorfeld mitgestalten und im Nachhinein weiterführen zu können. Über die weiter offenen Fragen der Palästinenser und des Status von Jerusalem sprach der Gastgeber von Camp David, Carter, im Juni 1980 mit Johannes Paul II. (1978-2005) in Rom. Seither vertiefte der Heilige Stuhl die Beziehungen zu den Palästinensern, und Israel wurde diplomatisch anerkannt. Der Friedensprozess ist nach wie vor unabgeschlossen.

Quelle:
KNA