DOMRADIO.DE: Wie ist denn im Moment das Verhältnis zwischen der deutschen Kirche und dem Vatikan einzuordnen?
Christopher Lamb (Vatikankorrespondent "The Tablet"): Das scheint im Moment ziemlich frostig zu sein. Es war eigentlich auch schon während der gesamten Zeit des Synodalen Weges sehr schwierig. Der Vatikan scheint sehr besorgt über einige Reformvorschläge aus Deutschland, aber auch über den Weg, wie diese zu Stande gekommen sind, zu sein.
Es wird allerdings auch von beiden Seiten versucht, einen neuen Dialog einzugehen. Das wäre früher auch noch anders gelaufen. In der Vergangenheit hätte der Vatikan den Synodalen Weg in Deutschland einfach komplett abgebrochen. Unter Papst Franziskus sehen wir, dass der Vatikan versucht, mehr auf Dialog zu setzen. Synodalität eben.
Aber die Lage ist im Moment definitiv angespannt. Die Reformkräfte aus Deutschland machen Druck, um ihre Reformideen umzusetzen. Es gibt aber auch Kardinal Gerhard Ludwig Müller, der als namhafter deutscher Kleriker in Rom sitzt und nicht nur den Synodalen Weg scharf kritisiert, sondern auch die synodalen Bestrebungen von Papst Franziskus mit der Weltsynode. Die Ausgangslage für die Weltsynode ist also nicht unkompliziert.
DOMRADIO.DE: Im Juni hat Bischof Bätzing die Ergebnisse des Synodalen Weges nach Rom mit der großen Hoffnung weitergegeben, dass sie Eingang in die Weltsynode finden. Nun sagen die Organisatoren im Vatikan explizit, dass es bei dieser Synode nicht um Homosexualität, Zölibat oder Frauenweihe gehen soll. Was denken Sie, werden die deutschen Reformwünsche irgendwie eine Rolle spielen?
Lamb: Ich denke der Synodale Weg wird definitiv ein Gesprächsthema in Rom sein. Die Bischöfe Bätzing und Overbeck und andere Deutsche sind als prominente Reformer vor Ort und werden sich in die Diskussionen einbringen.
Werden die Reformwünsche des Synodalen Weges gehört? Ich denke der Vatikan versucht explizit zu vermeiden, dass der deutsche Reformprozess ein alleinstehendes Projekt bleibt. Der Synodale Weg ist Teil der weltweiten synodalen Bestrebungen der katholischen Kirche. Das sieht der Vatikan alles unter einem großen Schirm.
Es könnte allerdings ziemlich schwierig werden, da einen gemeinsamen Nenner zu finden. Es gibt sehr laute und deutliche Reformwünsche aus Deutschland, mit denen sich Rom im Moment nicht wirklich wohl fühlt. In anderen Teilen der Welt gibt es auch große Vorbehalte.
Papst Franziskus ist vor allem wichtig, die Kirche als ganze in eine synodalere Richtung zu bewegen, mit Betonung auf Zuhören, gegenseitigem Dialog und Unterscheidung der Geister. Das soll in seinem Sinne die Gesprächskultur in der Kirche werden. Und nur so können die Spannungen in der Kirche wirklich angegangen und aufgelöst werden. Das wird vielleicht nicht kurzfristig klappen. Aber das Werkzeug dafür liegt nun auf dem Tisch.
Ich finde es zum Beispiel bemerkenswert, dass es bei der Synode keine deutsche Sprachgruppe geben wird. Das hat sicher auch damit zu tun, dass sich die Deutschen mehr in den Dialog einbringen sollen und nicht nur im eigenen Saft schmoren.
DOMRADIO.DE: Es gibt keine deutsche Sprachgruppe. Sie sehen darin also nicht den Versuch, den Einfluss der Deutschen zu vermindern?
Lamb: Ich erinnere mich noch gut an die Familiensynode 2015. Damals gab es eine sehr prominente deutsche Sprachgruppe mit den Kardinälen Müller, Schönborn und Marx, die zumindest im Prinzip zu einer Einigung in der Frage der wiederverheirateten Geschiedenen gefunden haben. Das war damals ein wichtiger Durchbruch in der Familiensynode. Kardinal Müller hat da sicher inzwischen seine Meinung geändert. Damals hat aber diese deutsche Sprachgruppe eine wichtige Rolle gespielt.
Jetzt sind wir an einem anderen Punkt. Jetzt ist es Papst Franziskus vor allem wichtig, Polarisierung zu vermeiden, einen offen ausgetragenen kirchenpolitischen Konflikt.
Die Deutschen da auf andere Gruppen aufzuteilen, ist sicher ein wichtiger Beitrag. Deutsche sprechen in der Regel sowieso gut Fremdsprachen. Damit lässt sich einerseits vermeiden, dass die deutsche Gruppe mit einer dominanten Stimme auf ihre Wünsche pocht. Andererseits könnte es in solch einer Gruppe auch zu einem offenen Konflikt kommen.
Wir hätten Kardinal Müller und Bischof Bätzing in der selben Gruppe. Das hat schon das Potential für Feuerwerk. Ich denke also der Plan des Papstes ist es, damit die deutschen Stimmen etwas mehr in der Synodenaula zu verteilen.
DOMRADIO.DE: Gibt es eigentlich auch Stimmen, die die deutsche Sicht unterstützen?
Lamb: Ich finde es erstaunlich, dass sich viele Themen und Reformwünsche, die der Synodale Weg aufgeworfen hat, auch in den Umfragen zur Weltsynode in verschiedensten Ländern wiederfinden: Die Rolle der Frau, Verteilung von Macht, Mitbestimmung von Laien. All diese Punkte sind auch im Rahmen der Weltsynode aufgekommen. Man hat also anscheinend wirklich auf den Prozess in Deutschland gehört.
Insofern hat der Synodale Weg einen bedeutenden Beitrag zur Weltsynode geleistet. Ich bin mir sicher, dass es in der Synodenaula auch Sympathie und Unterstützung für den deutschen Standpunkt geben wird.
Ich denke, es geht aber nicht nur um die Ergebnisse, sondern auch um den Weg dahin. Ich bin mir sicher, dass es Leute gibt, die sagen, dass der Synodale Weg im Sinne von Papst Franziskus nicht synodal genug abgelaufen ist. Zu wenig Spiritualität und Zuhören und zu viel Rede und Abstimmung. Aber grundsätzlich bin ich mir sicher, dass die Weltkirche und auch die Weltsynode viel vom deutschen Prozess lernen kann.
DOMRADIO.DE: Man kann ja den Eindruck gewinnen, dass der deutsche Einfluss im Vatikan unter Franziskus abnimmt. Nicht nur hat er in seinen zehn Jahren Pontifikat keinen deutschen Diözesanbischof ins Kardinalsamt erhoben, es gibt auch keinen Deutschen mehr in einer Führungsposition in der Kurie. Der letzte war Kardinal Müller in der Glaubenskongregation. Versucht Franziskus bewusst, den Einfluss der Deutschen zurückzudrängen?
Lamb: Ich glaube nicht, dass das ein bewusstes Vorgehen gegen die Deutschen ist. Die Personalentscheidungen von Franziskus sind oft sehr persönlich. Das hängt viel mit seinen Begegnungen zusammen.
Man muss aber schon sagen, dass der Papst Kardinal Marx eine wichtige Rolle gegeben hat, indem er ihn für die Finanzreform der Kurie verantwortlich gemacht hat. Eine wichtige Aufgabe im Rahmen seiner großen Kurienreform.
Ich könnte mir auch gut vorstellen, dass Franziskus noch andere Deutsche in die Kurie beruft. Es gibt eine ganze Reihe von offenen Posten, die in näherer Zukunft gefüllt werden müssen. Es gibt definitiv auch heute noch einen großen deutschen Einfluss im Vatikan.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.