Gerade mal 1,58 Meter soll der Kaufmannssohn aus Assisi groß gewesen sein. Doch mit seiner radikalen Christusnachfolge begeistert Franziskus (1181/82-1226) die Menschen bis heute. Er zeigte der damals in einer Krise steckenden Kirche, was es heißt, wirklich das Evangelium zu leben. Aber so richtig erklären konnte sich die Faszination auch sein Mitbruder Massäus nicht: "Du bist kein Mann von schöner Gestalt. Kein Mann der Wissenschaft. Du bis kein Adeliger. Wie kommt es, dass gerade dir die ganze Welt nachläuft?"
Als Franziskus starb, gab es 30.000 Franziskaner; nur zwei Jahre später sprach ihn Gregor IX. heilig. Bis heute gilt er als "Superstar" unter Seinesgleichen. Der amtierende Papst ist der erste, der seinen Namen trägt. Das Diözesanmuseum Freising spürt bis 7. Januar 2024 in einer neuen Ausstellung dem Phänomen "Francesco" nach.
Für seinen Lebensstil wird dieser bewundert, zugleich provoziert er damit. Wie reich darf die Kirche sein oder wie arm muss sie sein? Braucht es Theologie, um das Evangelium wirklich zu leben, oder reicht die Emotion? Fragen, die das Christentum umtreiben.
Stofffetzen seines Originalgewands
Revoluzzer, Ökoapostel, Romanheld - Franziskus ist vieles. Die Schau wartet dazu passend mit hochkarätigen Leihgaben auf, vorrangig aus italienischen Museen. Caravaggio zeigt ihn in seiner braunen, schon löchrigen Kutte meditierend, einen Totenschädel in Händen. Eine Reliquie mit einem Stofffetzen des Originalgewands ist gleichfalls ausgestellt, genauso wie ein anmutiges Bild der heiligen Klara, die inspiriert von Franziskus ihren eigenen Orden gründete.
Präsentiert werden auch Kostüme und Ausschnitte aus dem Kinofilm "Bruder Sonne, Schwester Mond". Eigentlich hatte Regisseur Franco Zeffirelli einen Musik-Film über die Beatles drehen wollen. Doch dann überlebte er einen schweren Autounfall und brachte 1972 die Lebensgeschichte des Heiligen ins Kino; Donovan sorgte für den Soundtrack. Gute Kritiken bekam Zeffirelli dafür nicht: "Aber es war der Film, den das Publikum am meisten liebte."
"Baue meine Kirche wieder rauf!"
Beeindruckend ist auch der "Christus triumphans" (1255) aus Siena. Der Kopf des Gekreuzigten mit dem Heiligenschein ist auf ein eigenes Stück Holz aufgemalt und in das Kreuz eingesetzt. Dadurch wirkt es so, als ob sich Jesus dem Betrachter persönlich zuneigt. Der Legende nach kniete und betete Franziskus unter so einem Kreuz, als er die Botschaft an sich gerichtet vernahm: "Baue meine Kirche wieder rauf!"
Auch die 1954 in Nürnberg geborene und in New Jersey aufgewachsene US-Künstlerin Kiki Smith kennt die Geschichte des Heiligen gut. In Freising hat sie die Möglichkeit bekommen, tatsächlich neben dem Museum ihre ganz eigene Kapelle zu errichten. Der Bau ist aus recycelten Dachziegeln der alten Ruhpoldinger Pfarrkirche aufgemauert. Hoch oben nimmt ein Heiliger Geist in Gestalt einer Taube den Flug nach Westen auf. Im Innern schimmert ein Geflecht aus Sternen in weißer Bronze. An einem Haken an der Wand hängt ein schlichter blauer, in Jacquard-Technik aus Wolle, Baumwolle und Leinen gewebter Mantel.
Jedes Objekt mit eigener Erzählung
Dieser nimmt Bezug auf die Muttergottes in Gestalt der Schutzmantelmadonna, bei der die Menschen Zuflucht finden. Smith verbindet damit jedoch den Aufruf, die Menschen mögen sich selber symbolisch den Mantel umlegen, um einander beizustehen. "Empathy" (Empathie) lautet daher auch der Titel der Schau im Erdgeschoss des Museums. Jedes Objekt hat seine eigene Erzählung. Wie diese lautet, soll der Betrachter sich selbst ausdenken.
Vor allem aber will die Künstlerin Mut machen und Hoffnung vermitteln. Der offene Holzsarg mag im ersten Moment beklemmend wirken. Doch wer sich ihm nähert, entdeckt, dass innen neues Leben in zarten Kristallblüten wächst. Parallel flattern von der Künstlerin geschaffene Vögel in den Arkaden. Und da kommt es einem. Sprach nicht einst Franziskus zu den Tieren?